Rezension

Einblicke in ein fremdes Land

Mein Russland - Carola Schneider

Mein Russland
von Carola Schneider

Bewertet mit 3.5 Sternen

„...Europäische Werte werden sich hier nie durchsetzen. Russland ist anders, wir haben eine andere Geschichte...“

 

Das Buch beinhaltet 11 Begegnungen, die die Autorin mit Menschen Russlands hatte. So unterschiedlich wie die Menschen sind auch die Gespräche. Allerdings beschränken sie sich auf drei Orte in der Weite Russlands: Moskau, Sibirien, Krim.

In der ersten Erzählung unterhält sich die Autorin mit einer 90jährigen Menschenrechtsaktivistin. Sie sieht die Lage realistisch und verweist auf die russische Geschichte.

Im zweiten Interview setzt sich ein Künstler mit Hilfe von Humor und Sarkasmus mit den aktuellen Zuständen auseinander.

Danach geht es um den zunehmenden Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche.

Die vierte Geschichte hat mir am besten gefallen. Auf einem russischen Bauernhof in Sibirien produziert die Bäuerin Käse nach westlichen Rezepten. Der Blick ins Alltagsleben ergibt eine andere Sicht auf die Dinge. Sie sind auch nicht mit allem zufrieden, wählen aber trotzdem Putin.

Danach wechselt das Buch erneut nach Moskau. Ein junges Ehepaar hat sich mit einem Cafè selbstständig gemacht. Es berichtet von Schwierigkeiten und Erfolgen.

Die nächsten beiden Interviews zeigen politisch zwei gegensätzliche Standpunkte, bevor das Thema Krim zur Sprache kommt.

In den letzten Kapiteln geht es um Korruption und fehlende soziale Absicherung.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Einige der Interviews fanden 2015 statt und wurden einige Zeit später vertieft.

Bei der Auswahl hätte ich mir weniger politisch engagierte Personen, sondern mehr Menschen gewünscht, die einen ganz normalen Alltag leben. Eines wird allerdings an vielen Stellen deutlich. Wir sollten uns hüten, Russland mit unseren Maßstäben zu beurteilen. Mehrere Gesprächspartner haben auf die ganz eigene russische Geschichte hingewiesen. Gleichzeitig wird deutlich, dass es trotz der Unzufriedenheit kaum eine nennenswerte Opposition gegen Putin gibt. Von Aufbruchstimmung ist in den Gesprächen wenig zu spüren, dafür von Resignation. Andererseits werden auch minimale Fortschritte in der Entwicklung positiv gesehen, selbst von Regimegegnern. An manchen Stellen hatte ich allerdings den Eindruck, dass geschickt Vorurteile bedient werden. Die Fragen von Korruption und sozialer Absicherung sind nicht nur in Russland ein Problem. Andererseits kann natürlich mit einer schlaglichtartigen Betrachtung des Landes nur ein kleiner Teil erfasst werden. Je nach Auswahl der Gesprächspartner dürfte sich das Bild anders zeigen. Dabei muss ich der Autorin zugute halten, dass sie durchaus unterschiedliche Standpunkte berücksichtigt hat.

Die beigefügten Bilder geben den Interviewpartnern ein Gesicht.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

Mit einem Zitat möchte ich meine Rezension abschließen, dass ich nicht nur in dem Fall, sondern überhaupt im Zusammenleben von Völkern für wichtig halte:

„...Lehrt uns nicht im Westen, wie wir zu leben haben. Wir kommen zurecht. Lasst uns einfach in Ruhe leben...“