Rezension

Eine afrikanische Tragödie

Der dunkle Fluss - Chigozie Obioma

Der dunkle Fluss
von Chigozie Obioma

Der dunkle Fluss ist ein mythisch-geheimnisvolles Gewässer und ein verbotenes dazu für die Kinder der Familie, deren Geschichte uns der Autor hier erzählt.
Sehr bezeichnend fand ich die permanenten Gegensätze zwischen archaischen Riten und Gedanken und dem bewusst westlich orientierten Versuch, Leben, Ausbildung und Zukunft der Familie zu gestalten. Erzählt wird uns diese Geschichte von Ben, dem vierten Sohn von insgesamt sechs Geschwistern.
Bens Erzählung beginnt zu einer Zeit, als er selbst etwas 9 Jahre alt ist. Der Vater ist in seiner beruflichen Position in eine entfernte Stadt versetzt worden und kann nur noch alle zwei Wochen am Wochenende bei der Familie sein und sich für die Erziehung der Kinder stark machen. So nimmt es nicht wunder, dass schon sehr bald erste Risse entstehen, die vier älteren Söhne einschließlich Ben widersetzen sich den väterlichen Regeln und begeben sich mehr als einmal an den verbotenen Dunklen Fluss, um dort zu fischen. Die Mutter, die stets versucht, zu bewahren was an väterlicher Ordnung vorhanden war, ist machtlos und kann sich nicht durchsetzen.

An diesem Fluss geraten die Brüder eines Tages auf dem Heimweg mit dem verrückten Abdullu aneinander, vor dem die Kinder Respekt, eigentlich sogar so etwas wie Angst, verspüren. Wie eigentlich alle Bewohner des Dorfes. Man sagt, die Prophezeiungen dieses Verrückten sind bislang noch immer eingetroffen und so glauben alle, nicht nur Ikenna, der Älteste, was Abdullu an diesem Abend voraussagt. Diese Voraussage belastet fortan Ikennas Leben, aber auch das seiner Brüder und Ikenna beginnt Stück für Stück sich zu verändern. Nicht nur dass die Mutter keinerlei Einfluss mehr auf ihn hat, auch das Verhältnis der Brüder untereinander wird nachhaltig beeinflusst und negativ belastet. Heimlichkeiten und Lügen sind jetzt an der Tagesordnung, das Misstrauen untereinander wächst und die Familie droht zu zerbrechen. Da nützt es auch nichts, dass der Vater ausser der Reihe nach Hause kommt und später sogar seine Arbeit aufgibt, die ihn von der Familie entfernt hat. Es ist zu spät, die Ereignisse sind nicht mehr aufzuhalten.

Beim Lesen dieses Romans war ich immer wieder hin- und hergerissen: Einerseits übt das Geschehen eine große Faszination aus und man erkennt, dass Afrika, in diesem speziellen Fall Nigeria, keineswegs in wenigen Jahrzehnten eine Entwicklung nachholen kann für die die westliche Welt Jahrhunderte gebraucht hat. Zuviel Aberglaube und das Denken in alten archaischen Riten sind noch immer tief in den Menschen verwurzelt. Andererseits hatte ich auch Momente, in denen ich aufgeben wollte, weil für meinen Geschmack zuviel der afrikanischen Sprachen und Dialekte den Lesefluss unterbrechen.

Aber – am Ende bin ich froh, nicht aufgegeben zu haben. Der Roman war schon etwas Besonderes und es war eine interessante Erfahrung, diese Geschichte aus der Feder eines zumindest von Geburt afrikanischen Autors zu lesen.  Ein empfehlenswertes Debüt.