Rezension

Eine auf Tatsachen beruhende, genial konstruierte, ans Herz gehende Geschichte! Fesselnd, berührend, Mut machend! Geschichte wird lebendig!

Als der Sturm kam -

Als der Sturm kam
von Anja Marschall

Bewertet mit 5 Sternen

Der Sturm kam … und hat mich mitgerissen!

Von Anja Marschall habe ich schon einige Bücher gelesen, das aber waren fiktive Geschichten, genauer gesagt historische (Kriminal-)Romane. Mit „Als der Sturm kam“ hat sie hier ein Thema aufgegriffen, das ihr wie allen Hamburgern am Herzen liegt, denn dieser Sturm im Februar 1962 hat die Stadt im Mark getroffen und in ihren Grundfesten erschüttert. 

Es ist nicht einfach, diese Rezension zu schreiben, denn ich möchte auf der einen Seite nicht zu viel vom Inhalt verraten, auf der anderen Seite aber sind es auch die Details, aufgrund derer mich dieses Buch so sehr berührt hat!

Aufgebaut ist die Geschichte chronologisch, beginnend am Nachmittag des 16. Februar 1962, und erzählt wird in Episoden, die die Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln und anhand der Erlebnisse verschiedener (Haupt-)Figuren erlebbar machen. Allein das dramatische Geschehen der ersten beiden Tage dieser Katastrophe umfasst mehr als 300 Seiten und bleibt – auch durch die bildhaften Beschreibungen sowie die sich sich stetig abwechselnden Perspektiven - durchweg spannend, fesselnd, berührend, zu Tränen rührend und ans Herz gehend, immer aber realitätsnah, wahrhaftig und ermutigend.

Der Schreibstil der Autorin führt flüssig lesbar und dennoch detailliert und einnehmend durch diese Geschichte; ich bin wieder mal begeistert von den Schilderungen der Örtlichkeiten, die sich vor dem inneren Auge praktisch materialisieren, von der Erschaffung unterschiedlichster Charaktere, die wir durch diese Tage und Nächte des Sturms begleiten, und von den Personenbeschreibungen, die so gelungen sind, dass man meint, die Protagonisten vor sich zu sehen. Was man dabei nie aus den Augen verlieren sollte, ist die Tatsache, dass die hier beschriebenen Schicksale sehr real, die Charaktere dieses Romans aber fiktiv sind, auch wenn das Gelesene sie sehr echt erscheinen und auf den Leser real wirken lässt.  

Apropos Leser: als solcher bangt man um die vom Wasser Eingeschlossenen, wünscht all den Helfen an Land, auf dem Wasser und in der Luft Kraft und Durchhaltevermögen, spürt die Angst der Hauptfigur wie überhaupt die Ängste aller, deren Hab und Gut und deren Leben bedroht ist, hofft auf Rettung, verdrückt Tränen des Entsetzens, lächelt ob der Erleichterung und erlebt an der Seite all dieser Figuren eine nicht für möglich gehaltene Hilfsbereitschaft! Chapeau!

Die Autorin erzählt ebenfalls von engagierten Lokalpolitikern und durchgetaktetem Polizeiapparat, von Einsätzen der damals eher unbeliebten Bundeswehr inkl. Marine und Luftwaffe und der Hilfe durch NATO-Fliegerstaffeln, sie macht die damals noch fehlende Kooperation zwischen all diesen gerade im Katastrophenfall so wichtigen Einheiten deutlich. 

Faszinierend ist aber auch und ganz besonders, dass man als Leser in die Wohn- und Lebensverhältnisse in und um Hamburg, ja, in das Lebensgefühl der 1960er Jahre und deren Zeitkolorit eintaucht. 

Meine Rezension mag wie Lobhudelei klingen, aber das ist sie nicht. Vielmehr ist sie als eine überzeugte und hoffentlich überzeugende Empfehlung zu verstehen für ein Lese-Erlebnis, das seinesgleichen sucht! 

Diesen ergreifenden Roman und seine vielen kleinen Erzählungen mit den tatsächlichen Ereignissen in Hamburg im Februar 1962 so zu verflechten, dass man das Gefühl bekommt, alles sei genau so geschehen, verlangt mir wirklich allerhöchsten Respekt ab.

Ich zücke das Taschentuch, wenn ich an die hier gelesene Geschichte denke, und ziehe den Hut vor der in ihrer Intensität kaum greifbaren Rechercheleistung der Autorin und der Verknüpfung all der recherchierten Fakten mit dieser, ihrer Geschichte „Als der Sturm kam“! 

Dieses Buch hat mehr als 5 Sterne verdient; zwei Sterne für die Recherche und je einen Stern für Schreibstil, Charaktere, Bildhaftigkeit, Realitätsnähe, Erzählkunst, Ergriffenheitsfaktor und Erlebbarkeit der Geschichte, das wären schon mal mindestens 9! ;-)