Rezension

Eine barocke Hymne an das Leben...

Der vollkommene Schmerz - Ugo Riccarelli

Der vollkommene Schmerz
von Ugo Riccarelli

Bewertet mit 5 Sternen

Ugo Riccarellis großes Fresko, das fast hundert Jahre italienischer Geschichte umfasst, bebildert Ungerechtigkeit, Freiheitsliebe, Schönheit und Grausamkeit, die Vergänglichkeit der Träume und die Dauerhaftigkeit der Hoffnung. Riccarelli erzählt in seinem tragischen, komischen und berührenden Epos von kleinen Leuten, die in große Ereignisse verwickelt werden.

Der Roman beginnt in der Mitte des 19.Jahrhunderts in einem kleinen Dorf in Italien und bietet ein anschaulich entfaltetes historisches Panorama von über einhundert Jahren italienischer Geschichte. Er beschreibt das Leben in Italien während der ganzen Epoche der politischen Wirren von Beginn des 19. Jahrhunderts über den ersten Weltkrieg bis zum Ende des zweiten Weltkriegs. Ein Schauplatz, zwei Familien, mehrere Generationen.
Mittendurch verläuft die Eisenbahnlinie, die der italienischen Kleinstadt anfangs den intellektuellen Sozialrevolutionär, den Maestro, zuführt, ihr aber im weiteren Verlauf immer wieder Menschen entreißt. Die neue Ideen bringt, aber auch Verwerfungen. Ein Haselnussbaum wird zum Lebensretter. Eine Maschine mit ihren Einzelteilen und Verbindungselementen steht sinnbildlich für die handelnden Personen, ihre Lebensabläufe und wechselseitigen Beziehungen.

Alle Kinder und Kindeskinder der beiden Familien erfahren beim Leben, Lieben, Hassen und in Konfrontation mit dem Tod irgendwann einen fast "vollkommenen Schmerz" aber nie nimmt er ihnen die Kraft - im Gegenteil. Er ist für die einen Erlösung, für die anderen Anlass zur Veränderung oder zum Neuanfang.
Ugo Riccarelli lässt eine eigene Welt entstehen, schafft Atmosphäre - im Grundton elegisch und nostalgisch, hier und da mit surrealen Einblendungen. Weit mehr als nur Handlungsträger: die Sprache, bildreich, ungehetzt beschreibend, atmosphärisch dicht, sanft und doch eindringlich, mit verhältnismäßig wenigen Dialogen.

Anders als der Titel und die Cover-Illustration vermuten lassen könnten, ist dieser Roman vielleicht im Ton melancholisch, aber keineswegs voll Trostlosigkeit und Depression und traurig gefärbt. Im Gegenteil: es ist eine geradezu "barocke Hymne" an das Leben. Es ist ein kostbarer Roman, weil er letztlich die Freude am Leben zeigt, trotz des vollkommenen Schmerzes...
Ugo Riccarellis Familienepos ist vielleicht am ehesten mit dem weltbekannten Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" von Gabriel García Márquez zu vergleichen.

Gert Heidenreich, der renommierte Sprecher des Hörbuches, verleiht der poetischen und klaren Sprache des Romans eine besondere Eindringlichkeit und lässt die Geschichte noch lange nachhallen.
Unbedingt empfehlenswert - und für mich ist klar, dass ich den Roman selbst auch noch lesen werde, da es sich bei dem Hörbuch um eine gekürzte Fassung handelt.

© Parden