Rezension

Eine berührende Geschichte – und doch bin ich nicht vollkommen überzeugt

Weil wir Flügel haben - Vanessa Diffenbaugh

Weil wir Flügel haben
von Vanessa Diffenbaugh

Bewertet mit 4 Sternen

Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
Verlag: Limes Verlag (24. Mai 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3809026648
Originaltitel: We never asked for Wings
Preis: 19,99€
auch als E-Book und als Hörbuch erhältlich

Eine berührende Geschichte – und doch bin ich nicht vollkommen überzeugt

Inhalt:
Mit 33 Jahren muss Letty zum ersten Mal Mutterpflichten für ihren 14-jährigen Sohn Alex und ihre sechsjährige Tochter Luna übernehmen. Bisher hat Lettys Mutter sich um alle gekümmert, während Letty arbeiten ging. Dass ein neuer Kollege ihr den Kopf verdreht und plötzlich auch Alex’ Vater wieder auftaucht, ist einerseits hilfreich, macht die Sache aber auch kompliziert.

Meine Meinung:
Geschickt bringt die Autorin uns die Protagonistin Letty gleich zu Beginn des Romans näher. Ihre Eltern sind weg, zurück nach Mexiko, und haben sie mit ihren beiden Kindern allein gelassen. Letty fühlt sich von der Situation dermaßen überfordert, dass sie mitten in der Nacht ihre Kinder allein lässt und aufbricht, um ihre Eltern zurückzuholen. Sie kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, sich selbst um ihre Kinder zu kümmern. Sie musste es nie tun und das war ihr auch ganz recht. Sie hat schon viele Fehler gemacht in ihrem Leben und traut sich einfach nichts mehr zu, schon gar nicht die Verantwortung für andere Menschen zu übernehmen. Doch nun bleibt ihr nichts anderes übrig, denn ihre Eltern bleiben in Mexiko.

Ganz langsam wächst Letty in die Mutterrolle hinein. Sie bemüht sich nach Kräften, aber es ist nicht leicht. Es gibt immer wieder Rückschritte, wo ihr alles zu viel wird, wo sie keine Ahnung hat, wie sie mit der quirligen Luna zurechtkommen soll oder wie sie Alex daran hindern soll, seine Freundin zu schwängern. Zum Glück hat sie eine gute Freundin, die ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. Und dann ist da auch noch Rick, der neue Kollege, zu dem sie sich hingezogen fühlt. Aber auch Wes, Alex’ Vater, ist noch im Rennen, und so gibt es am Rand eine kleine Dreiecksgeschichte. Lettys Liebesleben ist aber nicht das Hauptthema dieses Buches, und deshalb störte mich diese Dreiecksgeschichte auch nicht. Hauptthemen sind, wie schon erwähnt, Lettys Mutterrolle und außerdem Alex’ Erwachsenwerden inklusive erster Liebe. Alex ist ein wunderbarer, lieber Junge, der versucht, immer alles richtig zu machen und der sich in eine Mitschülerin verliebt. Yesenia lebt mit ihrer Mutter illegal in Kalifornien, woraus sich einige Probleme ergeben, die für Spannung sorgen.

Sowohl Lettys als auch Alex‘ Gedanken und Gefühle werden detailliert dargestellt. Dabei muss ich sagen, dass ich mit Alex einfach mehr anfangen konnte. Seine Beweggründe konnte ich viel besser nachvollziehen und verstehen und gutheißen. Mit Letty hatte ich so meine Schwierigkeiten. Sie ist mir in ihrer Art einfach fremd. Es fiel mir sehr schwer, mich auf sie einzulassen und mir ihre ständigen Selbstzweifel anzuhören.

„Weil wir Flügel haben“ ist eine berührende Geschichte, die mich aber nicht in allen Einzelheiten überzeugen konnte. Ich habe zum Beispiel nicht nachvollziehen können, wieso die Eltern plötzlich unbedingt wieder nach Mexiko zurück wollten, obwohl ihre Tochter sie dringend braucht. Oder warum Letty keine Ahnung hat, wie man eine Mikrowelle bedient, wo sie doch recht intelligent ist und in der Highschool sogar im Leistungskurs Naturwissenschaften war. Und da gibt es noch einige Dinge, die für mich nicht ganz rund sind.

Trotzdem empfinde ich diesen Roman als lesenswert. Er bietet gute Unterhaltung mit viel Gefühl und ein wenig Gesellschaftskritik und sorgt für ein paar schöne und interessante Lesestunden.

★★★★☆

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Limes Verlag und bei Literaturschock für das Rezensionsexemplar.