Rezension

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Eine emotionale und lehrreiche Ausfahrt mit der Königin der Tretkurbel

Die Rebellion der Alfonsina Strada -

Die Rebellion der Alfonsina Strada
von Simona Baldelli

Macht euch bereit für eine emotionale und lehrreiche Ausfahrt mit der Königin der Tretkurbel!

*SPOILER WARNUNG*

Zusammenfassung:

Im Buch ,,Die Rebellion der Alfonsina Strada" begleiten wir Alfonsina durch ihr Leben. Das Buch startet und endet mit ihrem letzten Lebenstag. Zwischendurch lernt man Alfonsinas Geschichte durch viele kleine Zeitsprünge kennen. Alfonsina wohnt in einem kleinen schäbigen Vorort Mailands mit ihrer große Familie. Da sie sich selbst das Radfahren beibringt und sich so von ihrem vorgesehenen Weg als Hausfrau und Mutter abwendet, wird sie von ihrem Umfeld verachtet. Alfonsina kämpft für ihr Glück, da das Fahrradfahren im frühen 20. Jahrhundert für Frauen noch verboten ist. Man erfährt wie alles beginnt, ihre ersten Erfolge, ihre ersten Misserfolge, ihre größten Herausforderungen und auch, wie der Krieg ihr Leben beeinflusst. Da durch den erstem Weltkrieg keine Radrennen und sonstiges stattfinden können reist sie nach Paris und arbeitet dort in einem Zirkus. Ihr erster Mann, Luigi Strada, ist in einer Nervenanstalt und stirbt dort auch nach mehreren Jahren. Er spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben, da er sie immer ermutigt und ihr das Lebensmotto ,,Steig niemals ab" in den Kopf setzt. Alfonsina ist ein Mensch, der mit sich im Reinen ist. Sie liebt sich selbst und das was sie tut, weshalb sie ein gutes Vorbild und sehr inspirierend ist. Sie schwelgt oft in Tagträumen und beschäftigt sich mit ihrer Vergangenheit. Ihre von Hoffnung geladene Art zieht einen einfach in den Bann ihrer Geschichte. Durchweg durch den historisch-biografischen Roman erfährt man interessante Fakten über vergessene Sport-Ikonen, die Russische Zarenfamilie und die Unterdrückung der Frauen. Viele wertvolle Radfahrtipps runden das Erlebnis ab und die Thematisierung der Missstände in Bezug auf die Bildung, sowie die korrupte Kirche, sind interessante Fakten. Insgesamt werden die Strapazen des Leistungssportes, die oft vergessen werden, thematisiert und dem Leser verdeutlicht. Neben den negativen Aspekten lernt man auch die positive Seite, dass die Gegner im Leistungssport sehr tolerant sind und Alfonsina annehmen und respektieren, kennen. Zuletzt kann man sagen, dass sie ihrer Zeit weit vorraus ist, da sie sich für Feminismus einsetzt, obwohl der Begriff noch nicht einmal Gang und Gebe ist.

Meine Meinung:

Insgesamt spricht mich das Buch sehr an. Da ich selbst Leistungssport betreibe und Feministin bin, gefällt mir das Thema natürlich extrem gut. Der Spannungsbogen ist hoch, man möchte wissen wie sie zu dem Namen „Die Königin der Tretkurbel" kommt, wieso der Stock auf ihrem Nachttisch so besonders ist und wie ihr Leben verläuft. Alfonsina ist ein sehr authentischer und liebeswerter Charakter. Sie kämpft immer für ihr Glück und lässt sich nicht von ihrem Weg abbringen, obwohl die Außenwelt sie beschimpft und ausschließt. Die Authentizität wird durch die Selbstzweifel, die sie trotzdem plagen, geweckt. Alfonsina ist durch ihre hoffnungsvolle Art und ihre Selbstzufriedenheit eine wahre Inspiration. Der Schreibstil ist sehr fesselnd und vor allem humorvoll, weshalb das Buch leicht zu lesen ist. Jedoch gefällt mir die Umsetzung der Geschichte nicht so gut. Die Geschichte ist interessant und sehr schön, aber die Zeitsprünge haben mich oft verwirrt. Ich wusste nicht immer, wo im Zeitstrahl von Alfonsinas Leben ich mich gerade befinde, weshalb ich oft zurückblättern musste. Außerdem sind bei mir noch Fragen offen nach dem Buch. Wer war Alfonsinas zweiter Ehemann und wie lernten sie sich kennen, und wieso war sie 1922 wieder zurück in Fossamarcia? Vielleicht wurden diese Fragen beantwortet und ich habe sie einfach durch die Zeitsprünge nicht verinnerlichen können. Trotzdem hatte ich einen riesen Lesespaß, der durch jede mögliche Emotion geschmückt wurde. Ich habe gelacht, geschmunzelt, war wütend und musste auch die ein oder andere Träne wegdrücken. Die Autorin verwendet viele schöne anregende Sätze und Sprichwörter, weshalb ich aus diesem Buch acht schöne Zitate mitnehmen kann (nach dem Fazit aufgelistet). Das Cover und die Verarbeitung des Buches sind sehr schön. Es gibt ein eingebautes Lesezeichen in Form einer Schnur und unter der Buchjacke sieht das Buch auch hübsch aus. Das Cover zeigt Alfonsina auf ihrem Rennrad.

Mein Fazit:

Ich finde jeder, der am Leistungssport oder unserer heutigen Gesellschaft an sich interessiert ist muss, dieses Buch lesen. Die Rebellion der Alfonsina Strada erklärt Feminismus, Leistungssport und Selbstliebe wie kein anderes Buch. Man versteht es nicht nur, man verinnerlicht die Thematik. Ich empfehle sich beim Lesen einen Zeitstrahl anzulegen, wenn man die Gesamtgeschichte komplett verstehen will. Die einzelnen Zeitsprünge sind aber auch so gut zu verstehen, wenn einem das Gesamtbild nicht so wichtig ist, sondern die einzelnen Geschehnisse zählen. Macht euch bereit für eine emotionale und erlebnisreiche Ausfahrt mit der Königin der Tretkurbel!

Zitate:

„Steig niemals ab, Alfonsina"

„Vielleicht verziehen sie ihr nicht, dass sie sich dort weitergewagt hatte, wo sie selbst aus Trägheit oder Furcht, sich von der Herde zu unterscheiden, Halt gemacht hatten."

„Wie man weiß, trägt der Schuster die schlechtesten Schuhe"

„Heilige Madonna, was sollte sie denn sonst für ein Radrennen anziehen? Einen langen Rock mit Hut und Schleier? Warum fragt niemand die Männer, wieso sie nicht Jackett und Krawatte trugen? Was für eine dämliche Frage."

„Nun brauchte sie nur noch zu fahren und herauszufinden, wohin es sie führte, Meter für Meter, eine Radumdrehung nach der anderen"

„Das entscheidende war, selbst in die Höhe zu streben, nicht andere herabzusetzen."

„Sie schauten sich bloß um, wer noch schlechter war, statt den Blick nach vorn zu richten und etwas Besseres anzuvisieren."

„Denn das Leben war ein Wettkampf“

„'Ihr seid doch die Bekloppten!', platzte Alfonsina heraus. 'Weil ihr euch nicht mal vorstellen könnt, wie schön es ist, etwas aus Freude zu tun, statt aus Zwang.'"

„Die Strapazen. Die Strapazen. Niemand denkt an die Strapazen. Alle haben nur Augen für die Medaillen und Trophäen oder spekulieren über das gewonnene Preisgeld, das immer zu wenig, immer zu schnell weg ist. Man redet über den Applaus, über Schlagzeilen in den Zeitungen, doch die Strapazen werden vergessen. Und die Einsamkeit."