Rezension

Eine gelungene Hommage an den klassischen Krimi…!

Neun Leben -

Neun Leben
von Peter Swanson

Da gibt es neun Menschen von unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichen Berufen und in unterschiedlichen Staaten der USA lebend. Scheinbar sind sie sich noch nie begegnet und haben nichts miteinander gemein, außer dass ihre Namen auf einer Liste stehen. Neun Namen zu neun Leben: Jede*r dieser neun Menschen erhält die besagte Liste zugeschickt und reagiert darauf sehr unterschiedlich: ratlos, amüsiert, gleichgültig, verängstigt. Doch dann wird Frank Hopkins, ein harmloser älterer Herr, der ein Urlaubsresort in Maine betreibt, ermordet aufgefunden. Sein Name war ebenso auf der mysteriösen Liste vermerkt, wie der von FBI-Agentin Jessica Winslow, die nun verzweifelt versucht, die Personen hinter den Namen ausfindig zu machen, in der Hoffnung, so Rückschlüsse auf den Täter ziehen zu können. Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit, denn der Mörder bleibt nicht untätig. Schließlich weiß er als Einziger sehr genau, wo seine Opfer zu finden sind…!

Autor Peter Swanson greift in das Füllhorn der Kriminalliteratur, wählt die gewohnten Ingredienzien aus den Klassikern dieser Zunft und klöppelt aus ihnen einen kurzweiligen, gut zu lesenden Krimi. Dabei zitiert er hemmungslos eines der bekanntesten Werke aus der Feder von Agatha Christie Und dann gab’s keines mehr. Diesen offensichtlichen „Plagiat“ verzeihe ich ihm nur allzu gerne, denn es wird im Text offen auf diesen Roman angespielt.

In kurzen Episoden gibt Swanson seiner Leserschaft einen schlaglichtartigen Einblick in die Charaktere der Personen, die sich hinter den Namen auf der Liste verbergen. Er springt in kurzen Episoden von einem Leben zu einem anderen Leben, die alle recht unaufgeregt vergehen. Alles wirkt irgendwie banal alltäglich und darum nur allzu menschlich. Spannung schöpft der Autor aus der ständig präsenten und über alle schwebende Gefahr, da niemand weiß, wann der Mörder wieder zuschlagen wird. Umso überraschter reagierte ich, wenn plötzlich für mich absolut unvermittelt und somit nicht vorhersehbar ein Mord geschah. Dann starrte ich völlig ungläubig auf die gerade zuvor gelesenen Sätze und musste diese durchaus ein zweites Mal lesen, um das Unfassbare begreifen zu können. Ich erwartete es und war dann doch verblüfft, wenn es passierte. Großartig!

Dank dieser überschaubaren Episoden bzw. Kapitel liest sich der Roman flott „weg“. Zudem werden die Figuren äußerst abwechslungsreich geschildert und überzeugen durch eine durchaus ambivalente Charakterisierung. Auch scheut Swanson sich nicht, (Achtung: SPOILER!) seine Heldin zu opfern, somit meine bisherige Sichtweise auf die Handlung völlig durcheinanderzubringen und mich bis kurz vorm Schluss völlig im Unklaren zu lassen, in welche Richtung sich der Plot entwickelt.

Leider schlichen sich auch einige kleine Logikfehler in die Handlung ein. So konnte ich nicht immer schlüssig die Vorgehensweisen des Täters nachvollziehen, wobei die Auflösung ein wenig konstruiert auf mich wirkte, und somit einige Fragen unbeantwortet blieben.

Den kleinen überraschenden Twist am Ende des Romans empfand ich als Zugeständnis des Autors an die eher konventionellen Leser*innen, die am Ende eines Krimis ein wie auch immer geartetes Happy End für das persönliche Seelenheil benötigen. Für mein Empfinden war dieser Twist bei diesem ansonsten solide geschriebenen Roman absolut entbehrlich.

Mit diesem gut erzählten „Whodunit“ schenkt uns Autor Peter Swanson seine respektvolle Verbeugung vor dem klassischen Kriminalroman und seinen Schöpfer*innen.