Rezension

Eine Geschichte über eine grenzenlose Liebe und eine unaufhaltsame Krankheit

Die blauen und die grauen Tage - Monika Feth

Die blauen und die grauen Tage
von Monika Feth

Bewertet mit 4 Sternen

Demenz bedeutet übersetzt ohne Geist oder auch abnehmender Verstand. Ich finde, beides sind sehr zutreffende Bezeichnungen für diese degenerative Erkrankung. Und doch steckt viel mehr dahinter. Demenz verändert einfach alles für den Betroffenen. Der gewohnte Alltag, den man immer gut alleine bewältigen konnte, bringt jeden Tag neue Herausforderungen mit sich. Anfangs spürt man vielleicht nur sehr schleppend, wie das Gedächtnis nachlässt, bevor man irgendwann das Gefühl hat, alles um sich herum zu vergessen. In immer seltener werdenden Momenten der Klarheit tauchen manchmal, für ein paar Minuten, Erinnerungen an bedeutende Ereignisse und geliebte Menschen auf … Bevor sie irgendwann für immer aus dem Gedächtnis verschwinden. 
Die Veränderungen, die die Demenz mit sich bringt, betreffen nicht nur den Erkrankten selbst, auch wenn es zu Beginn wohl am schwierigsten für ihn ist. Je weiter diese Krankheit voranschreitet, umso mehr verlernt der Betroffene und ist bei allen Tätigkeiten auf Hilfe seiner Familie angewiesen. Wie schwierig es innerhalb einer Familie ist mit all diesen einschneidenden Veränderungen zurechtzukommen, beschreibt Monika Feth in ihrem Buch „Die blauen und die grauen Tage“ aus der Sicht eines Kindes.

Endlich ist der Tag gekommen, den Evi schon sehr lange herbeigesehnt hat. Ihre geliebte Oma zieht zu ihnen ins Haus, weil sie in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr allein zurechtkommt. Ihre Oma leidet an Demenz, einer Krankheit, die sie vieles einfach vergessen lässt. Während Evis Schwester Vera die Großmutter eher als eine Belastung sieht, ist Evi überglücklich sie jetzt immer um sich zu haben. Durch Omas Einzug ist vieles leichter geworden und sie entwickelt sich schnell zur guten Seele des Hauses … Bis sie sich eines Tages nach einem Aussetzer an nichts erinnern kann. Als Oma mit den Gedanken spielt in ein Altersheim zu ziehen, um ihre Familie nicht weiter zu belasten, beschließt Evi ein Tagebuch zu führen. Dieses Buch soll beweisen, dass die Anzahl der grauen Tage, an denen ihre Oma sehr vergesslich ist, im Gegensatz zu den blauen Tagen, an denen sie ganz Oma ist, verschwindend gering ist. Evi möchte beweisen, dass ihre Oma nicht in ein Altersheim gehört.

In „Die blauen und die grauen Tage“ von Monika Feth erzählt Evi ihre bewegende Geschichte über eine grenzenlose Liebe und eine unaufhaltsame Krankheit. Sie erzählt von einem sehr liebenswerten Menschen, der ihr sehr am Herzen liegt und für den sie bis zum bitteren Ende kämpfen würde. Sie berichtet auf sehr einfühlsame weise von scheinbar unüberwindbaren Hürden, die es zu überwinden gilt. Evi schildert uns, wie schlimm es für ein Kind ist, einen geliebten Menschen in seiner Hilflosigkeit zu erleben und daran zu wachsen. Sie zeigte mir, dass wir Erwachsenen mit unserer überwiegend rationalen Denkweise, oftmals die vielen Möglichkeiten, die den Betroffenen, trotz dieser Erkrankung bleiben, einfach übersehen.

Wie verpackt man eine so heimtückische Krankheit und ihre Folgen so, dass sie ein Kind verstehen kann und nicht all zu sehr verstört wird? Indem man ein Kind über die alltäglichen Probleme mit einem an Demenz erkrankten Angehörigen erzählen lässt, sich stilistisch der Zielgruppe anpasst und wissenschaftliche Abhandlungen einfach weglässt. Für ihre Geschichte hat Monika Feth sehr authentische Figuren kreiert, die ihr bei den Schwierigkeiten eine Krankheit kindgerecht zu verpacken, sehr geholfen haben. Feth hat dieses so wichtige und aufwühlende Thema mit einer Prise Humor aufgelockert, um den Leser zu sensibilisieren aber nicht zu überfordern, ohne den Blick auf das Wesentliche zu verlieren.

Das Buch „Die blauen und die grauen Tage“ erschien erstmals 1996 und wurde sogar verfilmt. In den letzten Jahren wurden einige wissenschaftliche Erfolge und neue Erkenntnisse über die Krankheit Demenz erzielt. Wahrscheinlich beschloss die Autorin deswegen, ihr Werk für eine Neuauflage zu überarbeiten.