Rezension

Eine großartige "Kleine Edition"

Der Tag X - Sabine Theadora Ruh

Der Tag X
von Sabine Theadora Ruh

Bewertet mit 5 Sternen

Nach "#1 Würdevoll", "#2 Wolken, Wind und Wogen" und "#3 Alarm", schenkt uns  Dr. Sabine Theadora Ruh mit "Der Tag X" eine kleine Kostbarkeit.

Sie nennt sich Chica und  er nennt sich Chico, zusammen sind sie ein ungleiches  Paar. Er ist ein Träumer, künstlerisch veranlagt während sie sich eher an einen geregelten, festen Tagesablauf erfreut. Gemeinsam  reisen sie alle 100 Tage in eine andere Stadt weiter, wo sie sich dennoch nie einnisten. Und genau nach 50 Tagen, an dem Tage X, an dem "Jour J" sozusagen, schlägt der Schicksal zu und deutet hin, wo die Weiterreise sie hinführen wird. Und Chico und Chica reisen unermüdlich weiter, von Stadt zu Stadt, nie länger als 100 Tage, nie weniger, nie zurück.
Ist dieses "Leben als Reise, getrieben vom Schicksal" in der Tat auf Dauer eine zufriedenstellende Lebensweise oder bleibt vielleicht das gewisse Etwas zwangsläufig auf der Strecke?

Der Tag X ist so kurz wie eine Leseprobe, erstreckt sich über knapp 14 Seiten, kommt dennoch wie ein langer Roman groß raus. Der Text ist nicht in Kapiteln unterteilt, sondern besteht  aus Absätzen, die wie Denkanstöße wirken. Die Wörter machen einen eher leichten, teilweise poetischen Anschein, wirken dennoch wie eine brechende Welle auf den Leser ein.
Mich hat der Tag X nicht unterhalten, mich hat der Tag X sehr berührt. Die Suche nach Woanders, die Flucht vor der Vergangenheit, diese Tochter, die nicht mehr da ist, diese Heimat, die es nicht mehr geben darf: alles deutet auf eine Sehnsucht hin.
Diese Kleine Edition liest sich zwar in ein paar Minuten durch, wirkt aber nachhaltig auf den Leser ein. Ich nehme diese Buch als persönliches Geschenk an,  im übertragenen Sinn, und halte es für eine Zeit als Wegbegleiter. Wer in Bewegung bleibt, bleibt lebendig. Wie wäre für mich so ein Leben, würde ich auch fliehen wollen, wäre die unaufhaltsame Weiterreise eine Art Therapie? Fragen, die man sich stellen kann, die aber jeder für sich selbst beantworten mag.

Klein aber fein! Fünf Sterne vergebe ich gern für diese ungewöhnliche Kostbarkeit.