Rezension

Eine Hommage an eine fast Vergessene

Der Blick einer Frau -

Der Blick einer Frau
von Caroline Bernard

Bewertet mit 5 Sternen

„Für Gerda Taro, die ein Jahr an der spanischen Front verbrachte und dort blieb.“

 

Caroline Bernard, die schon mehrere Romanbiografie über bekannte Frauen wie Frida Kahlo, Lisa Fittko oder Alma Mahler-Werfel geschrieben hat, widmet sich in dieser hier einer beinahe Vergessenen: Nämlich Gerta Pohorylle, die 1910 als älteste Tochter eines aus Galizien (Österreich-Ungarn) eingewanderten jüdischen Ehepaares geboren wurde. Wie aus der Sozialistin Gerta Pohorylle die Fotografin Greta Tao wird, erzählt Caroline Bernard in diesem Roman.

 

Als die junge Christina 1996 bei der Entrümpelung eines Hauses in Mexico City auf dessen Dachboden einen alten Koffer mit Negativen findet, ist ihr, als Fotografin recht schnell klar, dass sie einen interessanten Fund gemacht hat. Wie wertvoll diese Fotos, die großteils im Spanischen Bürgerkrieg entstanden sind und welche Bedeutung ein besonderes Foto für sie haben wird, ist die Rahmenhandlung zu Greta Taros Geschichte.

 

Man schreibt das Jahr 1935. Gerta lebt wie viele andere deutsche Juden im Pariser Exil. Ohne Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung ist das Leben ein Drahtseilakt. Sie lernt Endre Friedmann kennen, einen jüdischen Flüchtling und Fotografen aus Ungarn. Friedmanns Fotos verkaufen sich schlecht, vor allem weil er einen ungepflegten Eindruck macht. Gerta erkennt sein Potenzial und ihre Chance. Endre, der sich in Paris André nennt, soll sie das Fotografieren lehren und sie kümmert sich um den Verkauf der Bilder. Gemeinsam streifen sie durch Paris und fotografieren, was ihnen vor die Linse kommt. Dabei entwickelt Gerta für ein und dasselbe Motiv ihren eigenen Blick: Den Blick einer Frau. Um nicht als jüdische Flüchtlinge erkannt zu werden, denen Zeitungen und Agenturen nur einen Bruchteil des üblichen Honorar zahlen, ändert sie ihre Namen in Gerda Taro und Robert Capa. Das kongeniale Duo ist geboren.

 

Als 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbricht, reist das Paar nach Spanien. Schon die Anreise ist recht spektakulär: Das Flugzeug legt in der Nähe von Barcelona eine Bruchlandung hin. Wenig später beginnen sie Fotos zu machen.

Während Robert Capa möglichst heldenhafte Posen für seine Fotos sucht, fotografiert Gerda vor allem Frauen, abseits jeder Heldenverehrung.

 

So entstehen die berühmten Fotos. Capas Bild eines jungen Soldaten just im Augenblick des Todes sowie Gerdas Fotos von jungen Frauen, die in ihrem Mono Azul, einer Art Uniform exerzieren und das Schießen lernen.

 

Auf der Suche nach spektakulären Fotos dringen sie immer tiefer in den Bürgerkrieg ein, schließen sich Soldaten oder Flüchtlingskolonnen an und werden dabei beschossen.

 

„Robert Capa ist immer auf der Suche nach dem spektakulärstem Foto, dem gefährlichsten. Du willst die fliegende Kugel zeigen. Ich zeige, was die Kugel mit dem Menschen macht, den sie trifft.“

 

Dabei kommt es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden, denn wenn ihre Fotos erscheinen, wird ausschließlich Capas Name genannt, auch wenn das Foto von Gerda und ihrer Mittelformatkamera stammt.

 

Gerda Taro stirbt am 26. Juli 1937 an ihren schweren Verletzungen, die sie bei der Kollision ihres Lastwagens mit einem Panzer erlitten hat - Berufsrisiko? Kollateralschaden? Sie wird an ihrem 27. Geburtstag, dem 1. August 1937 auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt. Zunächst wird sie von den Kommunisten als Heldin gefeiert und gerät wenig später in Vergessenheit. Erst mit dem Auffinden des sogenannten „mexikanischen Koffers“ im Jahr 1996 erfährt die Weltöffentlichkeit von Gerda Taro, der ersten Kriegsfotografin, der im Zweiten Weltkrieg Frauen wie Lee Miller folgen werden.

 

Meine Meinung:

 

Caroline Bernard erzählt die Geschichte Gerda Taros in eindringlichen Worten. Ihr Leben als jüdischer Flüchtling in Paris gleicht den Tausenden anderen, die vor dem NS-Regime geflüchtet sind. Da ich diese Beschreibungen schon aus zahlreichen anderen Büchern kenne, waren diese Kapitel für mich persönlich zu ausführlich. Wir begegnen in Paris zahlreichen Persönlichkeiten wie dem späteren deutschen Bundeskanzler Willy Brandt, dessen Untergrundtätigkeit die meisten von uns eher in den Norden Europas verorten, bevor Paris und später ganz Frankreich von den deutschen Truppen besetzt wird.

 

Ich hätte mir ein wenig mehr über die politischen Hintergründe zum Spanischen Bürgerkrieg gewünscht, über den im Allgemeinen nur wenig bekannt ist. Ja, viele wissen, dass es die Internationalen Brigaden, die an der Seite der Republikaner gekämpft haben sowie die sogenannte „Legion Condor“, jener deutsche Luftwaffenverband, der Franco unterstützt hat, gegeben hat. Man kennt berühmte Namen wie Pablo Picasso, der untrennbar mit dem Bombardement der Stadt Guernica verbunden ist, Ernest Hemingway, George Orwell oder zahlreiche andere Prominente, die gegen den Faschismus aufgetreten sind.

 

„Wenn dieser Krieg verloren geht, wenn Franco und seine Generäle und die Pfaffen gewinnen, dann hat nichts mehr Bestand, dann werden die Faschisten die Welt in Brand setzen, dann war Spanien nur der Anfang, ein Probelauf. Dann können wir Juden und alle, die an Gerechtigkeit glauben, nur beten.“

 

Geschickt verknüpft die Autorin Fakten und Fiktion. Darüber berichtet sie im Nachwort. Des weiteren erfahren wir vom späteren Leben Robert Capas und anderen Weggefährten der beiden. Gerta Pohorylles Familie wird bis auf ein Familienmitglied in den Vernichtungslagern des NS-Regimes ermordet.

 

Fazit:

 

Eine beeindruckende Romanbiografie einer jungen Frau, die beinahe vergessen worden ist. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.