Rezension

Eine Huldigung an Kunst und Schönheit

Das Zimmer aus Samt - Alyson Richman

Das Zimmer aus Samt
von Alyson Richman

Bewertet mit 5 Sternen

Der Originaltitel „Die samtenen Stunden“ trifft den Roman viel besser als der deutsche Titel, denn Samt wird im amerikanischen Titel als bildhafte Beschreibung von besonders weichen und besonders wertvollen Stunden gebraucht, nicht so prosaisch wie ein Zimmer, das mit Samtkissen oder Samtvorhängen ausgestattet ist. Noch selten habe ich einen  Roman gelesen, der auf so beeindruckende und sehr sinnliche Weise der Schönheit und der Kunst huldigt. Es lohnt sich das Gemälde von Giovanni Boldini, Portrait de Madame de Florian, das im Buch eine zentrale Rolle spielt, im Internet anzuschauen, um nachzuvollziehen, wie perfekt die Autorin dieses Bild, sein Entstehen und seine die Zeiten überdauernde Wirkung schildert. 

Zum Inhalt: Zwei Zeitstränge tun sich auf: Paris 1888: Es wird von Marthe erzählt, einer Frau, die in Armut aufgewachsen war, Schneiderin gelernt hatte und schließlich zum Besitz ihres Liebhabers und Gönners Charles wurde, der ihr bis zu seinem Tod in Liebe verbunden blieb. Sie lebte von seiner Großzügigkeit in einer luxuriösen Wohnung und stattete die Räume im Laufe der Jahre mit ihrem besonderen Sinn für Ästhetik mit wertvollen Gegenständen und Gemälden aus. Im Jahr 1938 lernt Solange als angehende Schriftstellerin erstmalig ihre Großmutter Marthe kennen. Während außerhalb der Wohnung die Bedrohung durch Krieg und Besetzung umgeht, hört Solange den Geschichten ihrer Großmutter zu. Die Stunden, in denen Marthe erzählt, sind für Solange „Stunden wie Samt“, weit weg von dem sich ausbreitenden Faschismus, der kalten Wirklichkeit. Eine Haggada, ein jüdisches Buch aus dem 14. Jahrhundert, rettet schließlich das Leben mehrerer Juden, auch das von Solange und ihrem jüdischen Verlobten.

Die Autorin ist eine Geschichtenerzählerin par excellence. Ihre Fähigkeit, detailreich und vor allen Dingen sehr sinnlich ihre Schilderungen auszuschmücken, lassen beim Leser fast kinoreif innere Bilder entstehen, Bilder voller exquisiter Schönheit. Das Buch wirkte in mir noch lange nach, denn gerade der Kontrast einer bewegenden Geschichte in Kriegswirren mit unendlichem Leid und der die Zeiten überdauernden malerischen Huldigung an das Schöne hinterließ in mir einen tiefen Eindruck. Absolut lesenswert!