Rezension

Eine kesse Elfjährige als Nebenfrau

Zuleika
von Bernardine Evaristo

Bewertet mit 4 Sternen

Angeregt durch Peter Fryers Buch „Staying Power“ (1984, 978-0745338309) zur Geschichte Schwarzer Briten seit der Zeit des Römischen Reiches hat Bernardine Evaristo (2001 im Original erschienen) die kesse Zuleika entwickelt, die mit 11 Jahren an Senator Lucius Aurelius Felix verhökert wird. Zuleika, deren Vorfahren aus Khartum/Sudan stammen,  wird dem dreimal so alten Mann als brav nähendes, schweigsames Geschöpf angedreht. Der Hautton seiner Bella Negrita soll ihn an Sklavinnen aus Nordafrika erinnern. Gemeinsam mit ihrer Freundin Alba sah die kleine Zuleika sich als weibliche Robin-Hood-Figur, die den Reichen ihren Luxus rauben und das Schicksal der Armen rächen wollte. Dass Albas Bruder Catullus eine elitäre Patrizierschule besucht mit Aussicht auf  kaufmännische oder politische Karriere, lässt ihr offenbar kein anderes Spielfeld als den der Unruhestifterin. Die Dritte im Bunde der Aufmüpfigen wird im Erwachsenenleben die Barbesitzerin Venus sein, womöglich eine frühe trans Person. Für die Eheschließung mit dem Senator, der sein Leben in Rom wie gehabt mit Nebenfrauen und deren Kindern führt, wird Zuleika gebadet, gepeelt, geschminkt, um unter dem fetten alten Mann ihre erste „Nacht im Reich des Todes“ zu verbringen. Bildung durch einen Hauslehrer ist für Zuleika geplant, obwohl Alba später feststellen wird, dass das Leben einer Frau dadurch unnötig kompliziert wird. Standesgemäß schöner Schein schien Lucius wichtiger zu sein als geübter Small Talk: die Ehefrau eines römischen Senators verlässt das Haus nicht ohne Begleitung von Sklaven.

Abgesehen von der Verheiratung einer Elfjährigen als Nebenfrau liefert die Autorin einen unterhaltsamen Blick auf Londinium zur Zeit des Römischen Reichs (ab 43 n Chr.) durch die Augen einer gnadenlos frechen Protagonistin. Von der 12er-Latrine bis zur geplanten Orgie wird allerlei aus dem römischen Alltag geboten. Männer kommen, wie zu erwarten, schlecht weg, sie sind dick, weltfremd, gewalttätig oder ungebildet. Wie von Evaristo gewohnt, sind auch Zuleikas Beobachtungen atemlos ohne Punkt und Komma erzählt, an Stelle der erwarteten Satzzeichen stehen Absätze. Auch Zuleika musste vermutlich schnell denken, sprechen  und schreiben, ehe ihr das Wort abgeschnitten wurde, da sie als Trophäe diente, weniger als Gefährtin.