Rezension

Eine schaurig-schöne Novelle, an die ich mein Leserherz verloren habe!

Seacrest House
von Lilach Mer

*Worum geht's?*
Als Joss eines Tages an einer Haltestelle in Blackpool aufwacht - ohne Beschäftigung und ohne einen einzigen Penny in der Tasche -, traut er seinen Augen nicht: Eine seltsame Katze sitzt auf seiner Brust und schaut ihn eindringlich an. Doch dieses merkwürdige Ereignis soll nicht das einzige an diesem Tage bleiben. Durch einen Zufall kommt Joss zum "Seacrest House", einer verwitterten alten Pension, die dringend einen Handwerker sucht. Er ergreift seine Chance, ohne dabei auch nur im Geringsten zu ahnen, welch dunklen Geheimnisse das alte Haus behütet...

*Meine Meinung:*
Mit nicht einmal 150 Seiten und großer Schrift scheint "Seacrest House", das neue Werk aus der Feder von Lilach Mer, auf den ersten Blick tatsächlich eine jener Novellen zu sein, die einem als Leser höchstens einen amüsanten Leseabend bescheren kann. Tatsächlich ist Lilach Mers kurze Schauergeschichte aber so viel mehr! Die Autorin bietet ihren Lesern eine schaurig-schöne Erzählung voller geheimnisvoller und versteckter Details, die das Lesen zu einer kleinen Schatzsuche werden lassen.

Die Geschichte um Joss, einen mittellosen Herumtreiber, der durch einen schicksalhaften Zufall eine Anstellung als Heimwerker in der Pension "Seacrest House" findet, ist im Großen und Ganzen vorhersehbar. Das tut der Novelle allerdings keinen Abbruch! Der gruselige Lesespaß wird vor allem von der dichten Atmosphäre bestimmt, die einen gebannt und mit einer leichten Gänsehaut an den Seiten kleben lässt, obwohl man Geheimnis des "Seacrest House" schnell gelüftet hat.

Obwohl man in der Kürze der Seiten insgesamt nur wenig über die Charaktere erfährt, sind sie mir allesamt mehr ans Herz gewachsen als so mancher Protagonist eines Romans. Allen voran natürlich Joss, der vom Glück verlassene Hauptcharakter, und der mysteriöse Kater, der durch die Gassen Blackpools streift. Lilach Mer hat aus jeder ihrer Figuren eine durchdachte und tiefsinnige Persönlichkeit gemacht, über die man zwischen den Zeilen mehr erfährt als man auf Anhieb begreifen kann. Auch wenn mir "Seacrest House" als Novelle sehr gut gefallen hat, kann ich nicht verleugnen, dass ich den einzelnen Charakteren auch gerne in einem Roman begegnet wäre.

Lilach Mer ist eine wahre Wortkünstlerin. Mit ihrer poetischen Schreibe schafft sie wunderschöne Bilder, die sich direkt vor das innere Auge der Leser malen und mit jedem Wort intensiver werden. Ihre Liebe zum Detail, die sich sowohl in der Handlung als auch in ihrem Stil wiederfindet, lässt zudem eine einzigartige Atmosphäre entstehen, die gewaltiger kaum sein könnte. "Seacrest House" zu lesen ist wie das Betrachten eines nostalgischen Kunstwerkes.

Mein persönliches Highlight ist übrigens das Ende der Novelle, das die gesamte Geschichte noch einmal in einem völlig neuen Blickwinkel beleuchtet. Lilach Mer bietet ihren Lesern eine neue Perspektive, die auf ihre eigene charmante Weise überrascht und in einem sofort die Lust entfacht, das Büchlein mitsamt den neu gewonnenen Erkenntnissen noch einmal zu entdecken.

*Cover:*
Zu meinen Coverlieblingen darf sich dieses leider nicht zählen. Nichtsdestotrotz ist es ein ordentliches Cover, dass die Atmosphäre des Romans gut einzufangen vermag. Mein absolutes Highlight ist der Schriftzug mit der Katze, der den Rest des Covers absolut in den Schatten stellt.

*Fazit:*
Mit "Seacrest House" ist Lilach Mer eine schaurig-schöne Novelle gelungen, an die ich mein Leserherz verloren habe. Trotzdem kann ich das Büchlein - leider! - nicht bedingungslos weiterempfehlen. Denn "Seacrest House" lebt vor allem von der dichten und stimmungsvollen Atmosphäre und den zahlreichen Details, die zwischen den Zeilen ihre eigene Geschichte zu erzählen scheinen. Wer beim Lesen auf andere Dinge Wert legt, wird mit der Erzählung wahrscheinlich eher weniger anfangen können. Dabei ist Lilach Mers poetische, künstlerische Schreibe es definitiv Wert gelesen zu werden! Ich vergebe für "Seacrest House" 5 Lurche - in der Hoffnung, dass der Kater von Blackpool sie nicht in seine Krallen bekommen wird...