Rezension

Eine sehr gut gelungene Biographie von Michael Ende. Absolut lesenswert.

Michael Ende - Birgit Dankert

Michael Ende
von Birgit Dankert

Bewertet mit 5 Sternen

Ich halte diese Biographie für sehr gelungen. Sie stellt nicht nur eine Fülle reichhaltiger Informationen zum Leben von Michael Ende zur Verfügung- man merkt die aufwendigen Recherchen dem Werk auf jeden Fall an, sondern zeigt die Ursache-Wirkung-Zusammenhänge auf, die versuchen zu zeigen und zu erklären, wer Michael Ende eigentlich war und warum er so war, wie er war.

Die Biographie umfasst 268 Seiten reinen Textes ist in 7 Kapitel aufgeteilt.

Im 30-seitigen Kapitel 1 „Kindheit im Künstleratelier (1929-1940) Schwabing, Schule, Nationalismus“ lernt man die Eltern von Michael Ende kennen, seinen Vater Edgar Ende, der Kunst in Hamburg studiert hatte und Bildhauer und Maler wurde, und Michaels Mutter Luise, die eine Ladeninhaberin war. Man erfährt, wie die Eltern waren, wofür sie sich interessierten, insb. die Arbeitsweise von Edgar Ende, die später auch bei Michael die Anwendung fand, ist bemerkenswert. Es gibt einige Zitate aus den Werken von Krichbaum, Boccarius, etc., die Michaels Lebensumstände im Elternhaus nahebringen und versuchen, eine Erklärung zu liefern, warum Michael Ende so war, wie er war. Und schon im ersten Kapitel gibt es zwei Gedichte aus der Feder von Michael Ende, die sich mit den Gegebenheiten im Nazi-Deutschland auseinandersetzen. Starke, philosophische Gedichte, muss man sagen. Und die Kommentare dazu stehen dem im nichts nach. Es gibt zwei schwarz-weiß Fotos hier. Das eine zeigt dreijährigen Michael mit blondem Haar vor dem Haus in Garmisch, das zweite Foto zeigt Michael zusammen mit seiner Mutter im Jahr 1935.

Im 25-seitigen zweiten Kapitel „Jugend und Krieg (1940-1949) Soldaten Gedichte, Waldorfpädagogik“ erfährt man, wie es Familie Ende in der Zeit ergangen ist, und jede Menge weiterer Gegebenheiten und Umstände, die den Charakter des jungen Michael offenbaren. Auch hier findet man längere Zitate, die den heranwachsenden Michael dem Leser nahebringen, auch starke Gedichte Michaels gegen den 2.ten Weltkrieg aus dem Band „Trödelmarkt der Träume“, die auch in heutiger Zeit ihre Aktualität behalten haben, wie kluge Kommentare der Autorin dazu.

Im 31-seitigem dritten Kapitel „Experimente im Frieden (1949-1958) Theater, Liebe, Palermo“ lernt man Michael als jungen Mann kennen, und liest über seine Zeit als Schauspieler an der Landesbühne Schleswig-Holstein in Rendsburg, wo er als junger Liebhaber engagiert war.  Es gibt zwei schwarz-weiß Fotos von ihm und ein Foto des Portraits, das sein Vater vom 22-jährigen Michael gemalt hat. Eine bemerkenswerte Arbeit. Auch hier findet man etliche Zitate als anderen Werken: von Michaels Mitstreitern und Freunden, die sich über ihn und seine Aktivitäten in den jungen Jahren erinnern. In dem Kapitel trifft Michael Ingeborg Hoffman, mit der er 32 Jahre eine im künstlerischen Sinne fruchtbare Gemeinschaft führte.

Aus den drei ersten Kapiteln wird deutlich, dass der Werdegang von Michael Ende sowohl vom künstlerischen Milieu des Vaters, als auch von der anthroposophischen Lehre, deren Anhänger seine Eltern waren,  recht stark beeinflusst war. Auch dass Michael kein Kind von Traurigkeit war, was Frauen und Alkohol angeht, wird hier und dort nochmals in div. Situationen erwähnt. Birgit Dankert schildert sein Wesen und seinen Werdegang deutlich und schonungslos, sodass man eine klare Vorstellung davon, wie dieser Künstler so wurde, wie er war, problemlos gewinnen kann. Weshalb aber manche meiner Vorredner sich die Freiheit herausnehmen, M. Ende als Persönlichkeit zu verurteilen und die Sterne großzügig bei der Bewertung der Biographie abziehen, mit dem Hinweis, sie hätten sich den Autor der unendlichen Geschichte anders vorgestellt, bleibt mir ein Rätsel. So etwas darf eigentlich nicht als Bewertung gelten.

Im vierten Kapitel „Befreiung und Flucht (1957-1970) ‚Jim Knopf‘, der Vater, das Alte Schloss Valley“ erfährt man ebenfalls jede Menge spannender Dinge aus dem Leben von Michael Ende, Z.B. dass er Rezensionen auf Filme eine Zeit lang publiziert hat, während er am Jim Kopf arbeitete. Interessant war auch die Beschreibung der Verlagssuche: Absagen standen an der Tagesordnung. Bald gab es aber zwei Verlage, nicht ohne Vitamin B, die Interesse zeigten. Sogar die Konditionen aufgeführt, zu denen Dressler Verlag das Manuskript angenommen hätte, wurden aufgeführt. Am Ende nahm es Thienemann Verlag und die Geschichte erfuhr Teilung in zwei Hälften. Auch hier sind die Kommentare der Autorin treffend und offenbaren solides Insiderwissen. Die schwarz-weiß Fotos von Michael Ende: das eine vom 1961 von der Lesung im NDR, das andere  von der Lesung ‚Jim Knopf‘ mit Kindern, auch ein Hochzeitsfoto aus Rom 1964 mit Ingeborg Hoffmann, bereichern die Ausführungen. In dem Kapitel gibt es noch etliche andere spannenge Dinge, die sollte man schlicht selbst lesen.

Das fünfte Kapitel, 35 Seiten, Glück in Italien (1970-1975) Genzano, Momo, Eskapismusstreit. Das Ehepaar kauft sich ein Haus in Genzano, unweit von Rom, und richtet sich für weitere Jahre dort ein. Hier wird Momo geschrieben. Ein Foto zeigt die beiden vor dem Haus, ein kleines Portrait-Foto zeigt M. Ende im Jahr 1975. Auch längere Zitate aus der Diskussion von M. Ende mit H.J. Gelberg, der sog. Eskapismusdebatte im Jahr 1974 findet man hier. Der Inhalt der Briefe ist schon spannend und auch heute recht aktuell.

Das vorletzte Kapitel „Welterfolg und Abschied (1975-1985)“ umfasst 54 Seiten. Es geht um die Entstehung der Unendlichen Geschichte, Engagement des Autors beim Film, in der Musik und in der Politik. Vor allem zeigt das Kapitel die große Rolle Ingeborg Hoffmans bei der Entstehung von Michael Endes Werken. Sie kannte ihren Mann gut und sorgte sowohl für eine angemessene Arbeitsatmosphäre als auch dafür, dass er sich regelmäßig an den Schreibtisch setzte und an der Entstehung neuer Geschichten arbeitete. Sie ging auch weiter: „Ingeborg Hoffmann prüft… schonungslos die Texte, unterzieht sie laut lesend einem Qualitätstest für Sprachrhytmus und inhaltliche Logik. Ende unterwirft sich dieser Prozedur halb unwillig, halb dankbar.“S. 179. Paar Seiten später, ab S. 195 erfährt man, dass Michael Ende ein Libretto für die Oper „Momo und die Zeitdiebe“  geschrieben hat und auf der Suche nach dem geeigneten Komponisten für die Vertonung war. Ein Foto zeigt Michael Ende und Wilfred Hiller in 1985. Über die Zusammenarbeit der beiden wird man noch auf etlichen aus drauf folgenden Seiten lesen können. Der Tod von I. Hoffmann wird schon recht knapp behandelt, wird aber als Ursache für die Rückkehr Endes nach München benannt.

Das letzte Kapitel „München und Japan (1985-1995) Neuanfänge, Schulden, Krankheit“ umfasst knapp 40 Seiten und schildert sowohl die zweite Ehe des Autors mit Mariko Sato, seiner langjährigen japanischen Geliebten und Literaturwissenschaftlerin aus Tokio. Ein Foto zeigt die beiden mit dem jap. Fernseh-Team 1991 in München, das andere zeigt Brautpaar Ende-Sato 1989 in ihrer Wohnung. Das letze Foto zeigt M. Ende 1993/94 am Schreibtisch in der Sendlinger Str. Auch hier gibt es Gedichte von M. Ende, Zitate aus Endes Korrespondenz und den Briefen seiner Mitstreiter. Bemerkenswert ist die Absage von Reich-Ranicki zu einer Diskussionsrunde zum 60. Geburtstag von M. Ende. Knapp aber ausreichend werden auch seine Krankheit und der Tod beschrieben. Wie seine Mutter hat er ein Magengeschwür, das sich dann als Krebs erweist.

Im Nachwort schreibt Birgit Dankert, wieder mal sehr treffend: „Ihn als Kinderbuchautor zu erinnern, mindert nicht seine Qualität, nimmt ihn nur ausschnittweise und in vielen Fällen mit den hier untauglichen Kriterien der Kinderbuch-Nomenklatur wahr. Nur im gleichzeitigen Blick auf das vielfältige Leben und das komplexe Werk von Michael Ende, den diese Biographie öffnen will, lassen sich Einsichten in die Wirkungsabsichten, literarischen Verfahren und Botschaften seiner Texte gewinnen.“ S. 275

Dem Nachwort folgen der 4-seitige Anhang mit Lebensdaten und 7-seitiges chronologisches Werkverzeichnis, wie ein 2-seitiges Verzeichnis der Literaturpreise, ein 12-Seitiges Quellennachweis, ein 4-seitiges Personenregister, Werk-, Orts- und Sachregister, Dank und Bildnachweis.

Ich halte diese Biographie für sehr gelungen. Sie stellt nicht nur eine Fülle reichhaltiger Informationen zum Leben von Michael Ende zur Verfügung- man merkt die aufwendigen Recherchen dem Werk auf jeden Fall an, sondern zeigt die Ursache-Wirkung-Zusammenhänge auf, die versuchen zu zeigen und zu erklären, wer Michael Ende eigentlich war und warum er so war, wie er war.

Die Biographie las sich flüssig und angenehm. In wenigen Tagen war sie ausgelesen. Die von manchen meiner Vorschreiber erwähnten Schachtelsätze finden sich hpts. in den Zitaten diverser Autoren, die Birgit Dankert zur Erläuterung in ihr Werk reingenommen hat. Ich fand diese Bio eine von denjenigen, die sich am leichtesten lesen ließen.

Das Leben von M. Ende ist ein Paradebeispiel für den Satz: Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine starke Frau. Erst war es seine Mutter, dann seine erste Frau, die ihn nicht nur diszipliniert hat, sondern auch als eine kundige Künstlerberaterin fungierte.

Fazit: Eine sehr gut gelungene Biographie. Ich vergebe gerne die 5 wohl verdienten Sterne und Empfehlung insb. für diejenigen, Biographien gerne lesen.

Ich bedanke mich bei Birgit Dankert für dieses wunderbare Werk, und lese gerne auch weitere Biographien aus ihrer Feder.

Mein Dank gilt auch dem Lambert Schneider Verlag, WBG Darmstadt fürs Herausbringen dieser Biographie, die Michael Ende als Person den Lesern nahebringt.

Ich bedanke mich auch fürs Rezensionsexemplar.