Rezension

Eine spannende Geschichte mit einem ungewöhnlichen Helden

Die Liga der Siebzehn 01 - Unter Strom - Richard Paul Evans

Die Liga der Siebzehn 01 - Unter Strom
von Richard Paul Evans

Pro:
Wenn ich mir das Titelbild so anschaue, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es auch Jungen im Alter von 12 aufwärts anspricht. Eine meiner Meinung nach sträflich vernachlässigte Zielgruppe! Das Cover schreit geradezu heraus, dass es hier um junge Superhelden mit coolen Fähigkeiten geht; es verspricht Action, Gefahr und rasante Wendungen - und ich finde, es verspricht nicht zuviel.

Es geht um 14-jährige "Mutanten" mit besonderen Fähigkeiten, die sie für gute oder böse Ziele einsetzen: Superhelden und Superschurken sozusagen. Es geht um die geheimnisvolle Akademie, die diese jungen Leute ausbilden will, wobei nicht direkt klar ist, inwiefern es ihnen um das Wohl der Teenager geht oder um ihre eigene Macht.

Das erinnert in den Grundzügen mehr als nur ein bisschen an X-Men, Teen Titans und Co, aber der Autor macht daraus etwas ganz Eigenes, Originelles. Das fängt schon mit dem Protagonisten an: Michael ist klein und eher schüchtern, und er hat das Tourette-Syndrom, was eine ernsthafte Behinderung für ihn darstellt und ihn zum Mobbing-Opfer macht. Und trotzdem ist er der Held des Buches: er ist mutig, loyal, einfallsreich und sympathisch. Ich fand das großartig. Was für eine positive Botschaft für junge Leser mit Einschränkungen und Behinderungen - du kannst trotzdem alles schaffen. Du kannst der Held in deiner ganz eigenen Geschichte sein! Fantastisch fand ich, dass Michael nicht ständig auf das Tourette-Syndrom reduziert wird; es wird zwar immer wieder erwähnt, aber es wird auch deutlich gezeigt, dass Michael viel mehr ist als nur das.

Auch die anderen Charaktere fand ich überwiegend gut gelungen; nur ein paar wenige bleiben etwas blass, aber ich hoffe darauf, dass in den nächsten Bänden mehr auf sie eingegangen wird. Mir gefiel besonders Michaels bester Freund Ostin, der keine Superfähigkeiten hat, das aber mit seiner enormen Intelligenz ausgleicht. Auch Michaels heimlicher Schwarm Taylor wurde mir im Lauf des Buches immer sympathischer, und mir gefiel, wie der Autor damit spielt, dass man Menschen nicht nach dem ersten Eindruck beurteilen kann. Michael ist mehr als sein Tourette-Syndrom, Ostin ist mehr als seine komplett fehlende soziale Kompetenz, Taylor ist mehr als ihr tolles Aussehen und ihre Popularität in der Schule. Sogar die "Schurken" dieser Geschichte sind mehr, als sie auf den ersten Blick zu sein scheinen.

Dabei überlässt der Autor allerdings viel dem Leser und seiner Vorstellungskraft, statt es detailliert und tiefgehend zu beschreiben. Der Schreibstil ist oft etwas einfach, mit eher kurzen Sätzen, aber ich fand das (ausnahmsweise) nicht störend, sondern sogar passend. Das liest sich fast wie ein Drehbuch, es liest sich schnell und rasant, und meiner Meinung nach gibt einem der Autor genug an die Hand, dass man das Kopfkino anschmeissen kann.

Ich fand die Geschichte sehr spannend und habe sie in einem Rutsch durchgelesen; die nächsten Bände werde ich mir auf jeden Fall auch kaufen.

Kontra:
So gerne ich es auch mochte, dass die Charaktere nicht NUR böse oder NUR gut sind - bei ein paar Charakteren ging mir die Wandlung vom fiesen Widersacher zum neuen Freund zu schnell und problemlos. Zum Beispiel: ein Charakter, der es gerade noch genossen hat, andere Menschen zu quälen, und der offensichtlich darauf gedrillt wurde, skrupellos zu sein, erfährt etwas über seine Vergangenheit und wird direkt zum reuigen Verbündeten.

Manchmal fehlte mir etwas der Tiefgang, aber andererseits ist es wahrscheinlich durchaus gewollt, dass der Schwerpunkt auf der Action liegt.

Zusammenfassung:
"Die Liga der 17" ist ein schnelles, unterhaltsames Buch mit ungewöhnlichen Helden. Es liest sich wie ein Actionfilm für Jugendliche, und mehr oder weniger sollte man vielleicht nicht erwarten.