Eine Starke Familie

Brüderchen
von Clara Dupont-Monod

Bewertet mit 5 Sternen

„Bald würden die Eltern von den letzten unbeschwerten Tagen sprechen, denn tragischerweise erkannt man Sorglosigkeit immer erst, wenn sie vorbei ist.“ Was passiert mit einer Familie, wenn plötzlich der Blitz einschlägt? Hier kommt nach zwei gesunden ein schwer behindertes Kind zur Welt. Und wir LeserInnen beobachten, wie sich Gleichgewicht in der Familie verändert.

Als Erzähler dienen die Mauern des Hauses, in dem sich alles abspielt. Sie beobachten, wie sich der zehnjährige Bruder liebevoll dem Kleinen nähert, ihm beschreibt, was der nicht sehen kann. Die Weichheit der Haut des Kleinen wird ebenso spürbar, wie die Verzweiflung des großen Bruders, als die Eltern den Kleinen in ein Heim geben und nur noch in den Ferien nach Hause holen.
Auch die Schwester, das mittlere der drei Kinder, wird beobachtet. Anfangs unbekümmert und fröhlich, versucht sie den Kleinen zu ignorieren und mit Hilfe der Großmutter ihren eigenen Weg einzuschlagen. Nachdem die psychischen Kräfte der Großen verbraucht sind, verändert sie sich total und bemüht sich auf ihre Weise, die Familie zusammenzuhalten.
Nach dem Tod des Kindes kommt noch ein kleiner Bruder zur Welt:
„Der Nachgeborene ging nicht allein durchs Leben, das wusste er. Seit seiner Geburt trug er einen Toten mit sich herum, dessen Schatten sein Leben säumte. Damit musste er zurechtkommen. Er rebellierte nicht gegen den Zwilling, den er sich nicht ausgesucht hatte. Im Gegenteil, er ban ihn in sein Leben ein. Vor ihm war also ein behindertes Kind zur Welt gekommen, und es war zehn Jahre alt geworden.“

Dieses psychologisch aufgearbeitete Drama ist nüchtern erzählt und hat mich tief beeindruckt. Neben den Schwierigkeiten, die hier deutlich werden, ist es voller Liebe und Zuneigung füreinander. Jedes Gefühl ist nachvollziehbar und zeigt, wie sich das Gleichgewicht in der Familie immer wieder verändert, aber nie völlig aus der Balance gerät. Gleichzeitig bekam ich einen Eindruck von der Bergregion der französischen Cevennen, in denen sich die Geschichte abspielt.

Die Autorin Clara Dupont-Monod wurde am 7. Oktober 1973 in Paris geboren. Ihre Karriere als Journalistin begann sie beim Cosmopolitan. 24jährig wurde sie Senior-Reporterin bei Marianne, übernahm als Chef-Editor die Kulturseiten und moderierte bald auch bei RTL Radiosendungen. Seit ihrem Debüt als Schriftstellerin 1998 hat sie diverse Romane veröffentlicht. Brüderchen ist der erste, der auch auf Deutsch erschien.