Rezension

Eine über weite Strecken überzeugende Darstellung von Martin Bubers Denken

Martin Buber - Peter Stöger

Martin Buber
von Peter Stöger

Bewertet mit 3 Sternen

Peter Stöger, Erziehungswissenschaftler, beschreibt in seinem Buch in Grundzügen Bubers Leben, um dann in wichtige Bereiche seines Werks einzuführen. Um Hintergründe – etwa zur Entstehung des Chassidismus in Osteuropa – darzustellen, greift er nicht nur auf die bekannte Literatur zu Buber, sondern auch auf andere Werke zurück; zudem gibt er immer wieder Hinweise auf Gegenwartsbezüge von Bubers Denken. So entgeht der Autor der Gefahr, das oft allzu Bekannte doch nur zu wiederholen, und er erreicht, dass seine Einführung auch für die Leserinnen und Leser lesenswert ist, die sich mit Buber bereits intensiver beschäftigt haben.

Im Mittelpunkt der Darstellung von Bubers Werk steht der Chassidismus (S. 45–88), den Stöger zunächst in seiner Bedeutung im Judentum skizziert, danach vorwiegend in pädagogisch-therapeutische Zusammenhänge stellt. So verweist er auf den »starke[n] psychotherapeutische[n] Charakter […] im Wirken« der Zaddikim (S. 51), spricht von der »Lehr- und Lerngemeinschaft Zaddik – Chassidim« (S. 53). Der Autor zieht Parallelen zu anderen Kulturen, Religionen und Gestalten sowie heutigen Ansätzen: u.a. zum Ashram (S. 53), zu Franz von Assisi (vgl. S. 53, 74, 80), Paulo Freire (S. 55), Alfred Adler/Viktor Frankl, zu Zen-Buddhismus (S. 77), Befreiungstheologie (S. 80), Sufimeistern (S. 83), christlichen Mystikern (ebd.).

Vom ›therapeutischen Gewicht‹ der Antworten oder Nicht-Antworten der Zaddikim (S. 80) spricht Stöger an einer Stelle: »Hier müssen wir uns von Konzepten verabschieden, die nur dem gesprochenen Wort eine wertvolle Äußerung beimessen. Damit wird der Hörende vorerst einmal ›zurückgeworfen‹. [Er] [...] gelangt [...] vielleicht dorthin, wo er sich nicht mehr suchte. Das Antworten ist eine Einladung, bei sich einzukehren.« (S. 80 f.) Stöger gibt eine Reihe Beispiele für solche existentiellen Bedeutungen der chassidischen Geschichten. Auf den Teil zum Chassidismus folgt ein kurzer Abschnitt zu »Buber, das Judentum und der Zionismus« (S. 89–95), bevor der Autor auf Schriftverdeutschung, Bubers Sprachdenken und seine dialogische Philosophie eingeht.

Vor allem die Abschnitte zum Sprachdenken (S. 100–105) und zu Anthropologie bzw. dialogischem Denken (S. 113–126) sind problematisch. Während im Chassidismus-Teil das Nachzeichnen der Erzählungen im Vordergrund stand und von da aus auf pädagogische oder therapeutische Bezüge verwiesen wurde, letztere also immer als Interpretation des Autors kenntlich waren, ändert sich das Verhältnis hier völlig: Die Buber-Zitate und direkt an ihn angelehnte Darlegungen sind knapp gehalten, das interpretative Element nimmt den größten Raum ein und wirkt so, als wäre damit originaler Buber wiedergegeben. Es schränkt den Wert des über weite Strecken überzeugenden Buchs ein, dass hier dem Leser, der sich erst in Bubers Denken einführen lassen will, in entscheidenden Teilen Überlegungen des Autors als Denken Bubers vermittelt werden.