Rezension

Eine überdrehte Liebesgeschichte mit unglaubwürdigem Plot und einer naiven Protagonistin.

Lakritz statt Liebeskummer -

Lakritz statt Liebeskummer
von Hendrike Applebloom

Bewertet mit 2 Sternen

„Erst als ich Stunden später im Gästezimmerchen hoch unterm Dach lag und in die Sterne blickte, wunderte ich mich, wie ich den Mut dazu gefunden hatte. Heute Morgen noch hatte ich brav in meinem spießigen Wohnzimmer gesessen und davon geträumt, eine andere zu sein, und hier war ich nun.“ 

Ja, so schnell kann es gehen…Clara Wittmann, Gattin eines bekannten Wirtschaftsanwalts in Lüxte, hat ihr eigenes Studium hintangestellt, um ihm beim Aufbau seiner Kanzlei zu helfen. Und jetzt? Jetzt tauscht er sie gegen eine andere aus. Clara stürmt Hals über Kopf aus dem Haus und in den nächsten Zug nach Hamburg, um dort Philipp zu treffen, einen gemeinsamen Freund. Doch irgendwie will das nicht so recht klappen, sie landet im falschen Zug und doch am richtigen Ort. In Moorstede, wo sie auf Insa trifft, die ihr Geld mit dem Anbau von Bio-Gemüse verdient. Sie und ihr Mann Olaf nehmen Clara auf und dafür hilft sie nicht nur mit Muskelkraft sondern auch innovativen Ideen. Olafs Sohn Jan ist davon nicht so begeistert.
Und so toll Claras Ideen auch sind, das Tempo, mit dem alle anderen anspringen und ein Großprojekt in der Kleinstadt realisiert wird, war mir einfach einen Zacken zu schnell. Zwischendurch habe ich nachgesehen, ob das Hörbuch eventuell gekürzt ist, weil ich das Gefühl hatte, wichtige Teile versäumt zu haben. Was sich dafür schier endlos dahinzieht ist Claras Liebesleben. Von Beginn an ist klar, was zusammengehört und wer ihr nicht gut tut. Allen Beteiligten, jedem:r Leser:in oder in meinem Fall Hörer:in, sogar dem Regenwurm im Gewächshaus. Nur Clara wird sich trotz gefühlt stundenlanger Monologe nicht klar darüber, wen sie mag und wem sie Glauben schenken soll. Die tolle Gegend, die wirklich einnehmende Idee eines etwas anderen Urlaubmodells und die neuen Lakritzkreationen, das alles kommt mir viel zu kurz. 
Der Versuch, immer wieder mal die Leser:innen direkt anzusprechen und so in die Geschichte zu ziehen war anfangs unterhaltsam. Mittendrin habe ich mir aber gewünscht, die Protagonistin würde einfach mal eine Sekunde nachdenken und dafür still sein. Ihr Hin und Her, ihre Versuche, sich selbst zu Gefühlen zu überreden, von denen sie eigentlich weiß, dass sie sie einfach nicht spürt, es hat mich angestrengt. Obwohl sie ihr Studium fast beendet hat und ihrem Mann in Kanzleidingen nahezu ebenbürtig sein soll, wirkt sie oft einfältig und leichtgläubig.
So ist mir Clara selbst am Ende der Geschichte noch nicht vertraut. Von der beigen Hausfrau zur Gärtnerin im Hippielook, denn Kleidung musste sie sich ja trotz ihres prall gefüllten Köfferchens ja ausleihen. Das Handy wurde auch vergessen, die Kontaktlinsen anscheinend nicht. Es waren mir zu viele Ungereimtheiten, heraufbeschworene Dramen und Unglaubwürdigkeiten, um mich gut zu unterhalten. 
Die Sprecherin Corinna (lt. Buchseiten Alexander, lt. Hörbuch Naujox ?) bringt Claras unstetes Wesen und ihre teils überdrehte Art gut rüber, aber ihre Eigenheit, die letzte Silbe manchmal extra zu betonen zB LeBEN, SalBEI fand ich irgendwas zwischen eigenwillig und nervig.

Fazit: Eine überdrehte Liebesgeschichte mit unglaubwürdigem Plot und einer naiven Protagonistin.