Rezension

Eine unbedingte Leseempfehlung

Rückeroberung -

Rückeroberung
von Daniel Huhn

Bewertet mit 5 Sternen

Autor Daniel Huhn nimmt uns auf eine emotionale Reise in die Vergangenheit mit. Er begibt sich auf die Spurensuche der jüdischen Familie Gans aus Borken.

 

Das Ehepaar Moritz und Else Gans hat drei Söhne: Karl, Manfred und Theo. Moritz Gans ist ein vorausschauender Mann. So hat er in den Niederlanden eine Zweigniederlassung seiner Firma gegründet. Der älteste Sohn, Karl, geht schon 1935 als Sechzehnjähriger zu Verwandten nach Palästina. Als Nächster ist Manfred an der Reihe. Vorerst glaubt er, - auch gerade 16 geworden, nur für den Sommer 1938 nach England zu gehen. Als dann Hitler das Sudetenland annektiert, beschwören ihn die Eltern, in England zu bleiben. Ein Jahr später gelingt es auch Theo, den jüngsten der Brüder in Sicherheit zu bringen.

 

Manfred wird, nach einigen Wirren und einer Internierung als „enemy alien“ - für eine geheime Einheit mit knapp 18 Jahren als Soldat angeheuert.

 

»Ich bin sehr dafür, befreundete Deutsche zu rekrutieren und sie unter strenger Disziplin zu halten, anstatt sie nutzlos im Lager zu belassen, aber wir müssen doppelt vorsichtig sein, damit wir keine von der falschen Sorte bekommen.« (Winston Churchill).

 

Nach einer harten Ausbildung kehrt Manfred Gans, nunmehr Frederick Gray, im Schatten des D-Day am 6. Juni 1944 nach Deutschland zurück. Sein Job ist es, gefangen genommenen deutschen Soldaten möglichst viele Informationen über die Pläne der Wehrmacht zu entlocken.

 

Darüber hinaus versucht er, etwas über den Verbleib seiner Eltern herauszubekommen, die sich ursprünglich nach Holland geflüchtet haben. Die trügerische Sicherheit dort hat ein jähes Ende, als sie verraten werden und letztlich im KZ Theresienstadt landen.

 

Mit seinem Fahrer Bob und einem Jeep, der mehrmals am Zusammenbrechen ist, wagt Frederick im Mai 1945 die Fahrt durch das zerstörte Deutschland, um in Theresienstadt nach seinen Eltern zu suchen. Ort für Ort, zerstörte Stadt für Stadt erobert er für sich zurück, bis er vor dem von den Russen befreiten, aber vom Typhus heimgesuchten, Lager steht ....

 

Meine Meinung:

 

Dieses Buch ist vorab als Podcast erschienen und basiert auf dem Nachlass von Manfred Gans, der akribisch Tausende Dokumente, Briefe und Tagebuchseiten umfasst. Seine Kinder haben diese Unterlagen dankenswerterweise dem Autor Daniel Huhn zur Verfügung gestellt. Faszinierend finde ich, dass die Briefe, die er Anita quer über den Atlantik schickt (und die Antworten), erhalten geblieben sind. Immerhin liegt das große Wasser und Monate des Krieges dazwischen.

 

Beklemmend und emotional finde ich die Reise der Überlebenden der Shoa, die 1988, spät aber doch, von der Stadt Borken eingeladen worden sind. Die scheinbar generöse Geste des Bürgermeisters, die zerstörte Synagoge „schöner und größer“ aufzubauen, zeigt, wie wenig hier nachgedacht worden ist. Denn die ehemals blühende jüdische Gemeinde in Borken hat unter dem NS-Unrechtsregime aufgehört zu existieren.

 

»Und auf einmal, wahrscheinlich zum ersten Mal in der 750-jährigen Geschichte dieser Stadt und den Jahrhunderten jüdischen Lebens dort, hallt durch die Gassen und die Mauern ein hebräisches Lied. Immer haben wir auf Hebräisch gesungen, in der Schule und auch zu Hause, aber nie in der Öffentlichkeit, nie im Freien und schon gar nicht innerhalb der widerhallenden Mauern dieser Stadt.«

(E-Book S.212).

 

Manfred Gans und einige andere Überlebende sind während dieser Besuchsreise in Schulen gegangen, um ihre Geschichte zu erzählen. Die Enkel der Kriegsgeneration ist bereit, sich mit den Taten der Großeltern auseinanderzusetzen.

 

»Wir ließen es geschehen und bedachten nicht die Folgen. Haben wir daraus gelernt?«

 

Fazit:

 

Eine emotionale „Rückeroberung“ einer Familiengeschichte, die eine Leseempfehlung und 5 Sterne verdient.