Rezension

Eine unvergesslich einfühlsame und bewegende Geschichte

Und sie werden nicht vergessen sein - Carmen Lobato

Und sie werden nicht vergessen sein
von Carmen Lobato

Bewertet mit 5 Sternen

Amarna und Arman Artsruni haben 1938 in London eine neue Heimat gefunden. Die Archäologin und den Bildhauer verbindet eine tiefe, aber aufreibende Liebe, denn Arman hat ein furchtbares Schicksal erlitten. Die gesamte Familie des Armeniers wurde 1915 durch den Genozid ermordet. Als der Krieg ausbricht, meldet sich Arman freiwillig, um ein weiteres Volk vor dem Völkermord zu retten. Zur gleichen Zeit wird Eva in Berlin aus ihrem Leben gerissen. Ihre Kunst wird als entartet abgestempelt, der Vater ihrer Tochter wendet sich zum Wohl seiner Schauspielkarriere von ihr ab und sie wird als Jüdin verhaftet. Das Schicksal ihrer Tochter Chaja scheint besiegelt zu sein, doch ein Weg führt noch aus Berlin heraus.

Carmen Lobato hat einen einfach unbeschreiblich echten, unverfälschten und authentisch wirkenden Roman geschrieben. Das Gefühl der Autorin für dieses Thema wurde so gut umgesetzt, dass es schwer ist, die richtigen Worte zu finden, was einem beim Lesen widerfährt. Man vergisst, dass es sich um fiktive Personen handelt, wird so sehr in die Geschichte hineingezogen, dass man am liebsten die 760 Seiten am Stück lesen möchte. Gleichzeitig wollte ich immer mehr über das Thema wissen. Ich habe mir die beschriebenen Orte herausgesucht, fand Straßen und Personen, die tatsächlich existierten und war erschüttert über die Gewissheit, dass vieles noch viel grausamer war, als beschrieben.

Die Charaktere muss man einfach lieben. Gerade ihre Schwächen, Ecken und Kanten lassen sie so authentisch wirken. Ich würde am liebsten alle Personen aufzählen, weil es keinen Unterschied macht, ob eine Person nur kurz erwähnt wird oder als Hauptprotagonist die Seiten füllt. Alle scheinen für kurze Zeit lebendig zu werden, überzeugen durch emotionale Nähe.

      "Dort, wo du mich findest, kennt mich kein Mensch, und wenn es
       hundertmal mit anderen leichter wäre."

Mein heimlicher Star ist aber der alte zerbrechliche Ziehvater von Arman Artsruni. Bülent wird so wundervoll sanft und einfühlsam in die Geschichte verwoben, dass man gar nicht anders kann, als ihn zu lieben. Eine besondere Szene hat mich sehr bewegt und Tränen fließen lassen.

Zur Handlung möchte ich gar nicht viel sagen. Es gab so viele Momente, in denen ich innehalten musste, sprachlos und traurig war. Man fühlt einfach den Schmerz glaubhaft und nah - unbeschreiblich. Jeder für sich allein wäre wohl verloren gewesen in dieser furchtbaren Zeit. Die Gemeinschaft und das Vertrauen anderen gegenüber, sich gegenseitig Hoffnung zu geben, wird beeindruckend beschrieben.

      "Das ist die Krux mit uns Menschen, wir lernen nur über die
       Geschichte, nicht aus ihr."

Besonders bewegt hat mich das Thema über die jüdischen Kindertransporte (Refugee Children Movement). Kinder, die getrennt von ihren Eltern zu Pflegefamilien oder in Lager kamen, die Sprache und auch den Umstand ihrer Ausreise nicht kannten. Durch Chaja wird einem bewusst, wie es all diesen tausenden von Kindern ergangen sein muss.

Dieser Roman sagt durch den Titel schon alles aus: "Sie werden nicht vergessen sein". Für mich ein absolutes Lese- und Gefühlshighlight. Danke Carmen Lobato

mehr zum Thema von der Autorin: https://charlotte-lyne.com/