Rezension

Eine wahrlich zauberhafte Geschichte

Animant Crumbs Staubchronik - Lin Rina

Animant Crumbs Staubchronik
von Lin Rina

Bewertet mit 5 Sternen

Klappentext: „England 1890. Kleider, Bälle und die Suche nach dem perfekten Ehemann. Das ist es, was sich Animants Mutter für ihre Tochter wünscht. Doch Ani hat anderes im Sinn. Sie lebt in einer Welt aus Büchern, und bemüht sich der Realität mit Scharfsinn und einer gehörigen Portion Sarkasmus aus dem Weg zu gehen. Bis diese an ihre Tür klopft und ihr ein Angebot macht, das ihr Leben auf den Kopf stellt. Ein Monat in London, eine riesige, vollautomatische Suchmaschine, die Umstände der weniger Privilegierten und eine Arbeitsstelle in einer Bibliothek. Und natürlich Gefühle, die sie bis dahin nur aus Büchern kannte.

Es kommt nicht mehr allzu häufig vor, dass ich zu Büchern mit mehr als 500 Seiten greife. Bei dem Werk „Animant Crumbs Staubchronik“ von Autorin Lin Rina hatte ich mich nun aber direkt in das traumhaft schöne Cover verliebt und wollte zumindest reinlesen. Dabei ist es aber nicht geblieben und schon nach wenigen Seiten war ich dem Sog dieser einfach nur zauberhaften Geschichte vollkommen verfallen.

Die Protagonistin Animant Crumb ist jung, behütet in guten Kreisen aufgewachsen, bevorzugt die Gesellschaft von Büchern und hatte noch zu Beginn der Geschichte wenig Berührungspunkte mit der Realität. Ihr Charakter ist nicht perfekt, sie hat Ecken und Kanten, einen naiven Blick auf die Welt und nicht sonderlich viel Feinsinn für die Gefühle ihrer Mitmenschen. Dies machte sie mir jedoch nicht unsympathisch; vielmehr ließ sie das auf mich viel realer wirken - und sie hatte dadurch natürlich auch viel Raum für Entwicklungen. Auch die übrigen Figuren - und seien ihre Auftritte auch noch so klein gewesen - waren wunderbar ausgefeilt, wirkten echt und waren jeder für sich etwas ganz Besonderes.

Im Gegensatz dazu würde ich die Handlung nicht unbedingt als etwas Besonderes bezeichnen, das meine ich aber keinesfalls negativ. Wir lernen Animant und ihre bisherige Welt kennen, ehe sie die bereits im Klappentext angekündigte Arbeitsstelle in einer Bibliothek antritt und sich von da an neuen Herausforderungen, Mitmenschen und Gefühlen stellen muss und dabei Stück für Stück ein bisschen erwachsener wird. Zeitlich umfasst der Großteil des Romans einen Zeitraum von etwa einem Monat. In Anbetracht des beachtlichen Umfangs des Buches wird deutlich, dass hier nicht nur die spektakulärsten Ereignisse viel Platz auf den Seiten einnehmen, sondern auch alles mögliche Alltägliche dazwischen. So plätschern Animants Tage in London dahin, allerdings ohne dass es langweilig wird. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, eine Atmosphäre zu schaffen, die den Leser nachhaltig in den Bann zieht - es hat mir dabei ebenso viel Spaß gemacht, Animant bei ihren täglich wiederkehrenden Aufgaben in der Bibliothek zu begleiten, wie auch ihrem nächsten Aufeinandertreffen mit dem verschrobenen Mr. Reed entgegenzufiebern oder auch mehr zu den verschiedenen Nebenhandlungssträngen zu erfahren.

Alles in allem war dies ein Buch für mich, das am liebsten gar nicht hätte enden sollen. Aber es musste enden und genau da liegt auch mein einziger, kleiner Kritikpunkt: das letzte Viertel des Buches hat mir doch deutlich weniger Lesevergnügen bereitet als der Rest. Es wurde plötzlich viel zu dramatisch und gerade nachdem ich den Eindruck hatte, Animant sei reifer geworden, machte sie für mich dann plötzlich zu viele Schritte zurück. Auf den letzten paar Seiten wurde es wieder minimal besser, aber insgesamt wurden die dramatischen Wendungen für meinen Geschmack zu wortreich ausgeschlachtet, nahmen einfach viel zu viel Platz ein, ohne der Auflösung dann ebenso viel Raum zu bieten. Die abschließenden Klärungen wirkten gehetzt und ich hätte mir für die zahlreichen, über viele hunderte von Seiten lieb gewonnenen Figuren einfach ein wenig mehr erwünscht.

Nichtsdestotrotz erhält dieses Werk von mir dennoch die höchstmögliche Bewertung, denn auch wenn ich mir den Schluss ein wenig anders gewünscht hätte, hätte ich für den Rest gerne zehn Sterne vergeben - ich würde jederzeit weitere 500 Seiten lesen, nur um den schlichten Alltag dieses tollen Ensembles zu verfolgen! Für mich war und ist „Animant Crumbs Staubchronik“ ein Herzensbuch zum Wegträumen und ich freue mich schon jetzt darauf, vielleicht im kommenden Winter, wenn das Wetter draußen mehr zu dem Wetter auf den Seiten passt, ein weiteres Mal in Animants Welt einzutauchen. Und bis dahin tröstet mich ja vielleicht das gleichnamige Büchlein „Animants Welt - Ein Buch über Staubchronik“ ein wenig über meine kleine Enttäuschung über das viel zu schnelle Ende dieser traumhaften Lesereise hinweg.

Fazit: trotz kleiner Kritik für das überstürzte Ende für mich ein absolutes Herzensbuch zum Eintauchen, Wegträumen und immer wieder genießen!