Rezension

Eine wichtige Geschichte meiner Meinung nach nicht gut erzählt

Der Tätowierer von Auschwitz - Heather Morris

Der Tätowierer von Auschwitz
von Heather Morris

Bewertet mit 3 Sternen

Die Menschen, die uns noch aus persönlicher Erfahrung von den Ereignissen des Holocaust berichten können werden immer weniger, die damaligen Opfer der Verbrechen sterben. Umso wichtiger sind Bücher gegen dieses Vergessen, die den Menschen eine Stimme geben, auch über ihren Tod hinaus. Die ihre Erinnerungen festhalten und zeigen: Ja diese Menschen haben gelebt, sie hatten Namen, eine Familie. Lales und Gitas Lebensgeschichte ist eine bittersüße. Denn trotz des Schreckens den sie im Konzentrationslager erlebt haben, haben sie einander gefunden und konnten ihre Beziehung in ihr neues Leben retten. Gleichzeitig kann man auch verstehen, weshalb vor allem Lales Geschichte bisher nie erzählt wurde. Es war für ihn sicher nicht einfach überhaupt darüber zu sprechen. Denn er hat die Häftlinge tätowiert, ihnen die Nummern eintätowiert, an denen man noch heute viele Überlebende der Shoa erkennen kann. Der Beweis dafür, das sie im KZ waren. Das die Nationalsozialisten, die Menschen dahinter, es immer wieder geschafft haben, Opfer zu Täter werden zu lassen oder ihnen das Gefühl zu geben, sie seien nun Teil dieser Täterschaft. Das ist ein der perfiden Spezialitäten die man hinter diesem Verhalten erkennen kann. Gleichzeitig zeigt das erst Recht, welche perfekte Maschinerie dahinter steckte. Und auch das den meisten sehr klar war, was da eigentlich passierte. Was sie hier taten.

 

Ich arbeite zur Zeit für das Archiv der Geschichte der Juden in Deutschland. Der Bestand den ich bearbeite, betrifft Frankfurter Juden. Zur Zeit habe ich Akten aus den 50er und 60er Jahren. Sehr oft sind es Anfragen mit der Bitte um finanzielle Unterstützung. Sehr oft mit Hinweisen darauf, das die betreffenden in einem Konzentrationslager waren. Es ist schon eigenartig, ein Buch zu lesen, in dem es um die Zeit in einem KZ geht, während man gleichzeitig Akten bearbeitet, in denen es darum geht, wie das Leben von Überlebenden weiterging. Gleichzeitig hat mir das auch noch mal sehr klar bewusst gemacht, wie wichtig es ist, niemals einen Schlussstrich hinter die Erinnerung zu setzen. Und deshalb macht es mich irgendwie auch wütend, das die Autorin Lales Geschichte so erzählt hat, wie sie das im Roman tut. Keine Frage die Geschichte dahinter hat mich berührt, aber ich hatte immer das Gefühl, das liegt nicht am Roman, sondern daran, das ich mich intensiv immer wieder mit dieser Zeit beschäftigt habe. Ich weiß aus vielen verschiedenen Quellen wie das Leben dort war, wie verschieden die Gefangenschaft sein konnte. Das es verständlich ist, das man im Hinblick darauf, das man jederzeit sterben konnte, Dinge tut, die man von außen betrachtet als unmoralisch bewerten würde - Lale stiehlt z.B Wertgegenstände, die definitiv von anderen stammten, die im KZ ermordet wurden. Doch ich weiß das nicht aus diesem Buch. Ich persönlich finde das die Autorin sich öfter mal im Ton vergriffen hat und oftmals alles etwas Banal wirkte und zum Teil auch eher wie in einem schlechten Feriencamp. Ich finde nicht das sie es geschafft hat, mir die Geschichte die ich da lese, auch emotional nahe zu bringen. Man muss nicht pathetisch werden (wie das z.B der Film Schindlers Liste an einigen Stellen tut...) oder die Ganze Zeit auf die Tränendrüse drücken... aber ich finde man merkt, das die Autorin sich eigentlich vorher nicht mit der Thematik beschäftigt hatte und ich finde an einigen Stellen klingt es eher nach einem Drehbuch als nach einem Roman. Keine Ahnung ob das der Übersetzung geschuldet ist. Ich finde jedenfalls nicht, das sie die Komplexität der Ereignisse gut getroffen hat.

 

Im Vorfeld hatte ich Aufgrund eines Kommentars den ich auf Goodreads erhalten habe, im Vorfeld recherchiert was über den Roman so geschrieben wurde. Dabei meinte der Rezensist auf Perlentaucher das er findet, das gerade das KZ an vielen Stellen eher wie ein Camp wirkt und nicht wie ein Konzentrationslager. Ich weiß nun was er damit meinte. Mag sein dass dies auch mit Lales Erinnerungen zusammenhängt, das kann ja niemand mehr nachprüfen. Leider sind Lale und Gita schon viele Jahre tot. Aber ich fand das war irgendwie so leblos geschildert und an einigen Stellen hat man meiner Meinung nach wirklich gemerkt das die Autorin nur sehr oberflächlich recherchiert hat. Das klingt hart, aber das ist mein Eindruck.

Ich finde sie hat dazu einfach kein Talent das ganze Lebendig zu schildern. Vielleicht liegt das an der Übersetzung oder auch nicht... aber für mich las sich das oftmals ziemlich hölzern. Gefühle und Ängste der Figuren kamen für mich jedenfalls nicht rüber. Selbst die Gefühlsosigkeit und das Wegsperren von Gefühlen aufgrund der Ereignisse. Da gab es für mich einfach keinen Unterschied.

 

Mich beschleicht auch sehr das Gefühl, das dieser Roman lange nicht die Aufmerksamkeit bekommen hätte, die er nun hat, wenn dahinter keine echte Lebensgeschichte stehen würde. Lales und Gitas Geschichte gehört erzählt, so wie die aller Überlebenden und der Millionen Menschen die umkamen - das steht außer Frage. Aber dennoch, rein inhaltlich und stilistisch sehe ich da eben Mängel.

Fazit: Die Geschichte, Lale und Gitas Leben das hat mich berührt keine Frage. Es ist absolut notwendig das wir weiterhin über Menschen sprechen die in den Lagern waren, das sie nicht vergessen werden. Nur dieser Roman hat mich an vielen Stellen leider nicht überzeugt. Ich hätte auch gerne noch mehr über die Quellen erfahren, die die Autorin neben Lales Geschichte verwendet hat. Auch hier sind die Informationen auffallend dürftig. Auch auf der Homepage der Autorin erfährt man dazu leider überhaupt nichts. Das lässt mich zugegebener Maßen mit einem eher gemischten Gefühl zurück. 

 

Von mir gibt es daher nur eine mittlere Bewertung. Entscheidet selbst, was ihr von dem Roman halten wollt. Ich persönlich würde ihn vermutlich trotzdem weiterempfehlen, jeder Zeitzeuge*in muss eine Stimme bekommen und diese sollte gehört werden.