Rezension

Einen Tick besser als der erste Teil, muss aber erst den roten Faden aufnehmen

Die Stadt der besonderen Kinder
von Ransom Riggs

Bewertet mit 4.5 Sternen

Sie sind ganz knapp ihren Feinden entkommen und nun auf einer Reise ins Ungewisse. Ihre Welt ist vernichtet, sie können nicht mehr in ihre alte Zuflucht zurück und am schlimmsten ist für der Umstand, dass ihre Retterin nun diejenige ist, die gerettet werden muss.

Jacob und seine Freunde haben es geschafft: Sie sind den Hollowgasts und Wights gerade so entkommen und konnten Miss Peregrine davor bewahren, entführt zu werden. Doch die Ymbryne ist schwer verletzt und nicht mehr in der Lage, sich in einen Menschen zurückzuverwandeln. Aus dem Grund müssen die besonderen Kinder auch die schützende Zeitschleife auf der Insel Cairnholm verlassen und sich auf eine gefährliche Wanderung begeben, um Hilfe zu finden. Doch ihre Feinde sind ihnen dicht auf den Fersen und haben zudem bereits die meisten Gestaltwandlerinnen gefangen genommen, die noch hätten etwas unternehmen können. Und so flüchtet die kleine Gruppe durch das England des Jahres 1940, verfolgt von ihren grausamen Gegnern und zudem bedroht von den Bomben, die auf Großbritannien niederregnen.

Nach dem plötzlichen Ende und dem fiesen Cliffhanger von Die Insel der besonderen Kinder musste ich natürlich sofort den zweiten Teil hinterher lesen. Und dieser hat mich fast noch mehr mitgerissen als sein Vorgänger.
Die Figuren werden nachvollziehbar weiterentwickelt und gewinnen neue Facetten dazu, die sie umso interessanter machen. Gerade Jacob entdeckt viele neue Seiten an sich und lernt das Ausmaß seiner Fähigkeiten immer mehr kennen. Zudem muss er sich beweisen und Verantwortung übernehmen, obwohl er gleichzeitig immer noch mit heftigen Selbstzweifeln zu kämpfen hat. Doch er versinkt nicht darin, sondern handelt intuitiv, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Dass er da seinen Gefühlen für Emma nicht übermäßig Platz einräumt, passte meiner Meinung nach perfekt zum Geschehen.
Was mich allerdings am meisten gefreut hat, war, dass ein paar lieb gewonnene Nebenpersonen aus dem ersten Buch mehr in den Mittelpunkt rücken und größere Auftritte haben, die mehr über sie verraten. Ein paar Statisten gibt es natürlich noch, aber die Portagonisten agieren wesentlich öfter als Gruppe, in der jeder seinen Platz hat, egal wie häufig er oder sie in Erscheinung tritt.

Beim Schreibstil hatte ich den Eindruck, dass dessen Qualität sich im Vergleich zum Einstiegsband in die Reihe noch verbessert hat. Ransom Riggs schafft es immer eindringlicher, eine passende Atmosphäre zu schaffen, auch wenn sie diesmal eine ganz andere ist. Man wird nicht mehr langsam an einzelne Begebenheiten und Umstände herangeführt, sondern mitten hineingeworfen. Dabei gelingt es dem Autor, nicht nur bloße Action packend rüberzubringen und den Leser so zu fesseln. Auch die ernsten, nachdenklichen Szenen kommen nicht zu kurz und vermischen sich so gekonnt mit den spannenden Augenblicken, dass nicht eines von beiden das andere überlagert und damit ausbremst. Dazwischen finden sich immer wieder kurze Momente, in denen der typische trockene Humor durchblitzt und die Szenerie gekonnt auflockert.
Leider braucht die Handlung einige Seiten, um sich zu fangen. Damit meine ich nicht unbedingt das Tempo, das bereits am Anfang beträchtlich ist, sondern die Richtung, die die Geschichte einschlagen soll. Genau wie die Kinder sich erst einmal orientieren müssen, was sie eigentlich zu Rettung ihrer Ymbryne unternehmen wollen, erscheinen die Ereignisse zuerst etwas ziellos und ungeplant. Das was im Klappentext schon angedeutet wird, wirkt in dem Zusammenhang schon beinahe wie ein Spoiler.

Fazit

Die Stadt der besonderen Kinder ist eine würdige Fortsetzung des ersten Teils rund um Jacob und seine Freunde. Die Charaktere werden nachvollziehbar weiterentwickelt und näher beleuchtet, vor allem die interessanten Nebenfiguren. Und die Handlung besticht durch eine gelungene Mischung aus mitreißender Spannung und tiefgründigeren Szenen und wird wieder grandios durch wundervolle alte Fotos untermalt.
Nur die Ziellosigkeit der Ereignisse zu Anfang stört ein wenig den Gesamteindruck, vor allem wenn man durch den Klappentext vorgewarnt ist.
Wer den Vorhänger und dessen ganz eigene Aufmachung geliebt hat, ungewöhnliche Fantasygeschichten mag und sich gerne von actiongeladenen und gleichzeitig humorvoll und ernsten Storys mitreißen lässt, der sollte sich diese hier nicht entgehen lassen.