Rezension

Einfach nur großartig!

Deutsche Wortarbeit - René Sydow

Deutsche Wortarbeit
von René Sydow

Bewertet mit 5 Sternen

Erster Eindruck nach 50 Seiten:
Es ist mir nicht möglich hier einen Eindruck der ersten 50 Seiten zu präsentieren. Aus verschiedenen Gründen. Zum einen habe ich das Buch nicht von vorne nach hinten gelesen, sondern immer wieder mal einen Text herausgepickt. Zum anderen kannte ich einen Teil der Texte bereits von Auftritten. Deswegen nutze ich den Platz hier jetzt auch mal eben um zu erzählen wie ich darauf aufmerksam geworden bin. Meinen ersten Eindruck von ihm bekam ich auf den Poetry Slam NRW-Meisterschaften. (Poetry Slam zu erklären führt hier jetzt zu weit, aber googelt doch einfach mal. ;))
Ich hatte Karten für eine Vorrunde und für das Finale. Im Finale sah ich René Sydow das erste Mal. Er las unter anderem seinen Text “Facebook” (und ich meine auch “Zeitschaltuhr”) und ich war restlos begeistert. Ein paar seiner Texte konnte man bei Youtube bewundern. “Facebook” leider nicht. Dann hatte ich das unfassbare Glück ihn bei einer weiteren Veranstaltung sehen zu können. Nur ein paar Tage später. Dort las er 8 Texte und ich fand jeden einzelnen großartig. Das Buch wanderte auf meinen Wunschzettel, ich bekam es von einer Twitter-Freundin zum Geburtstag und war total überwältigt. Meine ersten 50 Seiten waren seine Auftritte. Die mir verdammt viel gegeben haben.. und für die ich sehr mutig war. Aber auch das führt hier zu weit.  [;)]

Inhalt:
Wie der Klappentext schon sagt. Es ist ein vielfältiges Buch. Satiren, Sprechtexte, Gedichte & Erzählungen. Und was ich besonders gigantisch finde: Es liegt eine CD bei. Auf dieser sind 14 der 48 Texte von ihm selbst gesprochen. Wie es sich für einen Slammer halt gehört. Unter anderem auch “Facebook”. Merkt man wie sehr ich den Text mag?  [;)]  Ich war vom ersten Moment an verliebt in das Buch. In die CD. In die Texte. Seine Stimme ist übrigens auch großartig.

Die Texte sind wie der Klappentext schon sagt teilweise sehr politisch. Das ist für jemanden der politisch nicht so interessiert ist stellenweise etwas schwierig, weil einem vermutlich doch ein paar gute Pointen verloren gehen. Wirklich wichtige Hintergrundinformationen werden aber über Fußnoten erklärt und somit kann man das meiste wirklich nachvollziehen.

Viele der Texte – gerade die, die sonst auch vorgetragen werden – zeichnen sich durch ihre große Wortwitz-Dichte aus. Man bekommt den Eindruck, dass kein einziges Wort zufällig gesetzt ist. Alle gehören genau an ihren Platz und sind wohldurchdacht. Die hohe Dichte führt allerdings auch dazu, dass man gar nicht schnell genug alles hören, begreifen und umsetzen kann.

Den Gegenpol zu den politischen Texten bilden Erzählungen über Beziehungen, Begegnungen oder auch das Schreiben. Die Vielfalt ist beeindruckend. Aber inhaltlich kann und werde ich nicht darauf eingehen. Egal wie ich versuche auch nur einen einzigen Text zu erzählen, es würde dem Original nicht mal im Ansatz gerecht werden.

Im Online-Shop des Verlages könnt ihr euch aber “Humankapital” anhören. Was ich euch auch dringend empfehlen würde.  [:)]   

Zitate:
“Ihr glaubt, ihr kriegt uns kleinlaut, aber wir sind eine Armee, bis an die Zähne bewaffnet mit Buchstaben und Satzzeichen. Wir schreiben, bis es euch die Seele zuschnürt. Nicht ihr überholt uns, ihr gehört überholt.”

“Und am Ende, meine Damen und Herren Selbstoptimierer, werdet ihr, nicht ich schweigen, weil in meiner deutschen Sprache Humankapital und Mensch noch nicht dasselbe ist.” (aus “Humankapital”, S. 59)

Fazit:
Ich bin kein Fan von Gedichten. Und werde es auch niemals sein. Weshalb ich Gedichte schlecht beurteilen kann, sie meistens nur herunterlese und selten wirklich gut finde. Würde man jetzt eine klare Statistik führen müsste ich dem Buch sicher Sterne abziehen.
Ich kann in diesem Fall aber gar keine klare Statistik führen. Geschweige denn Sterne abziehen. Alle anderen Texte beeindrucken mich so nachhaltig, dass ich sie teilweise 4 oder 5 mal gelesen und mindestens genauso häufig gehört habe. Was auch eindeutig Einfluss auf die Lesegeschwindigkeit hatte. Immer wieder neu anfangen zieht das schon etwas in die Länge. Meine Favoriten? “Facebook”, “Humankapital”, “Zeitschaltuhr”, “Quo Vadis?”. Noch besser mit zuhören und gleichzeitigem Lesen. Oder einfach direkt Live anschauen.  [;)]
Ich werde das Buch immer wieder zur Hand nehmen. Werde es sicher noch häufig auseinander nehmen und vielleicht auch mal wirklich alles mit Zettelchen markieren was mich umhaut. Alles merken ist ja auch gar nicht möglich. Aber es spricht mir in so vielem aus der Seele, dass dieses Gefühl “es ist großartig, mehr davon” einfach bleibt.