Rezension

Einfühlsames Debüt zum Thema Ausbeutung

Unter Dojczen -

Unter Dojczen
von Mia Raben

Bewertet mit 4 Sternen

Jolanta Maria Szczerbic ist ein beliebtes Importprodukt aus Polen. Sie kommt mit anderen aus ihrer Heimat im Bus nach Deutschland, um bei Familien zu arbeiten. Sie macht Pflegearbeit für alte Menschen, putzen, einkaufen, Hausarbeit, schafft aber auch Leute vom Bett in den Rollstuhl und dann in den Garten. 

Als es bei der Familie Weiß in den bayrischen Voralpen besonders schlimm gewesen war, der alte immer Jooohhla und sie, immer neue Forderungen, hatte der Blick auf die Berge sie beruhigt. S. 8

Die Zeit hat sie zermürbt. Jola hat ein so großes Herz, dass sie schlecht nein sagen kann und dann wird immer mehr verlangt. 

Jola wusste, was manche leisteten, um in Deutschland Geld zu verdienen. Zusammengepfercht in stinkenden Räumen, schmutzige Matratzen, Unterkünfte, wie Schweineställe. Zigaretten und Menschen waren in Polen billiger als in Deutschland. Jola machte sich keine Illusionen.

Dieses Mal hat die Agentur sie nach Hamburg vermittelt und als der Fahrer sie im Villenviertel aussteigen lässt, traut sie kaum ihren Augen. Die Frau, die sie empfängt, ist jünger als sie, wahrscheinlich die Tochter. Während sie mit Jola spricht, entschlüpft ihr mehrfach ein kieksender Lacher. Sie stellt sich als Bea vor und warnt Jola vor der eigensinnigen sturen Schwiegermutter, aber Jola traut sich das zu, sie hat schon einige alte Leute kennengelernt.

Fazit: In Mia Rabens Debüt geht es um Menschen aus Polen, die in ihrem Land keine Arbeit finden, aber von irgendetwas leben müssen. Sie lassen sich von polnischen Agenturen an deutsche Agenturen vermitteln und verdienen für harte und teils unzumutbare Arbeit einen Bruchteil dessen, was andere an ihnen verdienen. Es ist gut und wichtig, dass die Autorin die gegebenen Umstände thematisiert hat und es lädt zum Fremdschämen ein. Wer kennt sie nicht, die Nachbarn in der Doppelhaushälfte, die allein nicht mehr zurechtkommen. Statt die Eltern in ein Heim für betreutes Wohnen zu geben, engagiert man günstiges „Personal“ aus Polen, Rumänien oder der Ukraine, dann bleibt am Ende noch was vom Eigenheim für die Kinder. Die Geschichte ist außerdem unterhaltsam. Die Protagonistin ist eine kompakte kleine Frau, mit großem Herzen und Empathiefähigkeit. Die neue Familie bezahlt sie gut und schätzt ihr Dasein. Hier erfährt sie eine Wertschätzung, die sie auch in Polen nie kennengelernt hat und entfaltet sich und es tut gut ihr dabei zuzusehen.