Rezension

Einfühlsames Porträt einer Freundschaft

Der Andere - David Guterson

Der Andere
von David Guterson

~~David Guterson beschreibt in seinem neuesten Roman "Der Andere" die Geschichte einer Freundschaft. Neil Countryman und John William lernen sich als Jugendliche bei einer Sportveranstaltung kennen. Auf den ersten Blick scheint es so, als könnten sie nicht viele Gemeinsamkeiten haben, sind ihre Wurzeln doch so verschieden: Neil kommt aus einer einfachen Familie, John William ist der Sohn reicher Eltern. Beide eint die Liebe zur Natur, und so lassen sie sich auf das Abenteuer Wildnis ein, bei dem sie mehrere Wochen, nur mit wenig Proviant versorgt, durch die Wälder streifen und das Überleben mit einfachsten Mitteln versuchen.

 John William beeindruckt dieses Erlebnis nachhaltig, sodass er nach der Rückkehr in die Zivilisation immer mehr zu dem Schluss kommt, dass er dieses entfremdete, angepasste Leben nicht führen will. Er will mehr als "Birth, school, work, death" wie die englische Rockgruppe The Godfather singt und sehnt sich nach dem einfachen, aber selbstbestimmten Leben. Schließlich zieht er für sich die Konsequenz, gegen alle Widerstände zurück in die Wälder zu gehen und dort als Einsiedler zu leben.
 Neil hingegen schlägt diesen konventionellen Weg ein: Studium, Beruf, Heirat, Kinder, hält aber immer Kontakt zu seinem Freund, den er in dessen selbstgewählter Einsamkeit aufsucht, um ihn mit Essen und Medikamenten zu versorgen oder bei Arbeiten zu helfen, die alleine nicht zu bewältigen sind.

 John William bleibt seiner Überzeugung treu, stirbt sogar für diese und hinterlässt seinem Freund Neil ein Erbe in Höhe von 440 Millionen Dollar. Vielleicht als Versuchung, damit dieser seine begrabenen Träume doch noch verwirklichen kann?

 Mich hat "Der Andere" sehr stark an Chris McCandless in Jon Krakauers Reportageroman "In die Wildnis" erinnert. Aber nicht nur, denn für viele junge Amerikaner scheint dieses Einswerden mit der Natur und Abkehr von der Zivilisation ein Thema zu sein, immer noch, muss man sagen, denn dieses Experiment hat ja bereit Henry D. Thoreau in „Walden oder Leben in den Wäldern“ Mitte des 19. Jahrhunderts gewagt und beschrieben.
 Gutersons Stil ist gradlinig und klar und beeindruckt durch außergewöhnliche Naturbeschreibungen. Er lotet seine Hauptfiguren bis ins kleinste Detail aus und schafft es mühelos, deren Motivationen für den Leser verständlich und nachvollziehbar zu machen.

 Das einfühlsame Porträt einer ungewöhnlichen Freundschaft – bis zum bitteren Ende.

 Nachdrücklich empfohlen!