Rezension

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Einmalig.

Das dänische Mädchen
von David Ebershoff

Bewertet mit 5 Sternen

Der Schreibstil
David Eberhoff schafft es an die Problematik des Textes mit einer Feinfühligkeit zu begegnen, die geradezu erstaunlich ist. Auch, wenn seit Beginn der Handlung schon mehr als 90 Jahre verstrichen sind, ist Inter- und Transsexualität noch immer ein Thema, das doch sehr an den Rand gekehrt wird. Umso erstaunlicher ist es, wie detailreich und fesselnd er die Geschichte eines Jungen Mannes erzählt, der eigentlich/innerlich eine Frau ist.  Die Art und Weise, wie er dem Leben der Lili Elbe einen Roman widmet, ist berührend und bewegend zugleich. Hier wird nicht nur an der Oberfläche gescharrt, sondern tief in die Materie eingedrungen. Auf diese Weise schafft er es glaubhaft und realitätsnah, dennoch aber mit künstlerischer Bearbeitung ein vermutlich einzigartiges Leben zu präsentieren.
Die Handlung
Einar Wegener ist ein renommierter Künstler Kopenhagens. Als er für seine Frau in einem Kleid Modell sitzt bricht sein schon immer unterschwellig existierender Wunsch aus, eine Frau zu sein. Nun kann man sich aber vorstellen, dass das in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts noch alles andere als anerkannt war und so wird der Druck auf ihn immer größer. Seine weibliche Identität - Lili - scheint dabei komplett anders zu sein, als Einar selbst. Das geht soweit, dass er sich teilweise nicht an das erinnern kann, was er als Lili gemacht hat und umgekehrt.
Auch heute noch gehört die Problematik des Buches zu eher gemiedenen Themen unserer Gesellschaft. Auch, wenn es heute (zumindest aus biologisch-medizinischer Sicht) nicht mehr als Krankheit angesehen wird, ist Inter- und Transsexualität ein mehr oder minder großes Tabu. Da spricht man halt nicht drüber. Umso stärker finde ich das Buch und v.a. auch Lili Elbe, auf deren Leben das Buch basiert.
Man darf von Das dänische Mädchen nicht die große Spannung oder gar Nervenkitzel erwarten. Es ist definitiv ein eher ruhiges und gesittetes Buch, dass aber durch seinen Tiefgang und durch sein Einfühlvermögen besticht. Ich muss auch sagen, dass ich teilweise nur so 20 - 30 Seiten am Stück lesen konnte, weil es einfach schwer fallen kann bestimmte Verhaltensweisen o.ä. von Einar nachzuvollziehen und eine Identifikation dadurch nicht immer einfach ist, trotzdem empfand ich dies nicht als störend, denn bei einer Geschichte dieser Art sollte man sich auch ein wenig Zeit nehmen um das Gelesene reflektieren zu können.
Die Charaktere
Die Charaktere sind eine weitere stärke des Buches. Durch verschiedene Flashbacks erhält man insbesondere zu Einar und Greta ein detailliertes Gesamtbild, mit reichlich Hintergrundwissen. Dass Einar durch die Dogmen seiner Zeit bestimmt unter den gegebenen Umständen kein leichtes Leben führt, ist vermutlich nachvollziehbar. Da er sehr schüchtern und introvertiert ist, benötigt er somit eine Stütze von außen und diese findet er in seiner Frau Greta.
Greta ist für mich eine der stärksten Protagonistinnen, die ich kenne. Sie unterstützt Einar auf seinem Weg zu Lili in fast jedem Punkt. Nur ein einziges Mal wird sie ihm ihren Zuspruch verwehren. Sie ist eine sehr leidenschaftliche, impulsive junge Frau und dementsprechend ist es wirklich schwer für sie, wenn sie Lili mit anderen Männern sieht. Trotzdem unterstützt sie ihren Mann so unglaublich stark! Ohne Greta gäbe es keine Lili. Und diese Stärke und das Leben, dass sie führt und führte machen sie zu einer einmaligen Person. Sie hat eigentlich alle Schicksalsschläge, die man so durchleben kann überstanden und zurück bleibt diese unglaubliche Frau!
Fazit
Was soll ich noch groß zusammenfassen? Kennt ihr es, wenn ein Buch euch scheinbar innerlich das Herz zerdrückt, weil ihr so viel wie es aussagt gar nicht aufnehmen könnt? So ging es mir gestern Abend/heute Nacht. Man sollte wie gesagt nicht das spannendste aller Bücher hinter Das dänische Mädchen erwarten. Wer aber nach etwas sucht, das alles andere als leichte Lektüre ist, liegt hierbei goldrichtig!