Rezension

Eltern an ihren Grenzen

Hinter den Türen - Hera Lind

Hinter den Türen
von Hera Lind

Bewertet mit 4 Sternen

Die Geschichte, die „Hinter den Türen“ erzählt, ist kaum zu glauben: ein engagiertes Elternpaar mit 2 Kindern nimmt 3 Pflegekinder auf – Geschwisterkinder mit ausländischen Wurzeln und angeblich „ganz normale Kinder“. Die Kinder entpuppen sich als schwerst traumatisiert und die Familie erfährt kaum irgendwo Unterstützung – insbesondere nicht bei den verantwortlichen Behörden. Schlimm, dass sowas kein komplett ausgedachter Roman ist, sondern eine Erzählung nach einer wahren Geschichte. Die ich interessant, bewegend, aufrüttelnd fand – aber die in der Umsetzung für mich doch ein paar Schwächen hatte.

Zunächst mal war da der Beginn des Buches. Die wunderbare, intakte Familie Bressin. Die Ich-Erzählerin wurde nicht müde zu betonen, was für einen Traummann sie geheiratet hatte (so ziemlich am Ende jedes der kurzen Kapitel) und welch gute Voraussetzung die Familie als Pflegeeltern hatten (beide studierte Sozialpädagogen). Ganz ehrlich – das war mir etwas viel der Selbstbeweihräucherung und hätte sicherlich auch behutsamer (und damit glaubwürdiger) rübergebracht werden können. Denn im Laufe des Buches wurde sehr authentisch geschildert, wie die beiden Super-Eltern an ihre Grenzen kommen – ich konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen und habe mitgelitten. Das fand ich ehrlich und überzeugend, deshalb war ich gegen Ende von dem Buch auch wirklich angetan.

Leider gab es dann nochmal einen Dämpfer mit dem Nachwort. Plötzlich wurde da – recht kurz -  geschildert, dass die „wahre Geschichte“ an vielen Stellen doch sehr mit künstlerischer Freiheit ummantelt worden ist. Ich sehe ein, dass man einiges verfremden muss, um Identitäten zu schützen. Kein Ding. Aber dass dann die Dinge, die für mich auch einen Großteil der Geschichte ausgemacht haben, z. B. die schwere Krankheit der Stiftungsleiterin Frau Nölle oder die Ehekrise wegen der besten Freundin Anne, komplett ausgedacht waren (da Anne eine komplett erfundene Figur war), das hat mich nach dem Lesen des Nachworts doch ernüchtert. Auch der lapidare Satz (nach dem doch versöhnlichen Ende und der ständigen Versicherung der Pflegemutter an ihr schwierigstes Pflegekind, dass sie sie nie im Stich lassen würde) „In Wahrheit habe ich Malie nie wiedergesehen“ – ohne jegliche Erklärung für den Leser, der gerade über fast 400 Seiten mitgelitten hatte… da habe ich mich ein bisschen im Stich gelassen gefühlt.

Im Endeffekt schwanke ich deshalb zwischen 3 und 4 Sternen – aber da ich das Buch ab einem gewissen Punkt wirklich verschlungen habe, entscheide ich mich für 4.