Rezension

Emotionaler und intensiv erzählter Roman mit viel Zeitgeschehen

Fräulein Gold: Die Rote Insel -

Fräulein Gold: Die Rote Insel
von Anne Stern

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Fräulein Gold: Die Rote Insel" ist der fünfte Band der Hulda Gold-Reihe von Anne Stern, die im Rowohlt Verlag erscheint.

 

Berlin, 1926: Hulda Gold arbeitet nicht mehr als Hebamme in der Frauenklinik und musste auch ihr Zimmer räumen. Sie arbeitet nun als Helferin in der Praxis von Grete Fischer auf der Roten Insel, einem Arbeiterviertel fern von ihrer alten Heimat. In der Praxis kümmern sie sich um Menschen in Armut. Täglich werden die politischen Spannungen mehr, die Konflikte zwischen Kommunisten, Anhängern der nationalsozialistischen Bewegung und den Ringvereinen sorgen für Unruhen. Grete hält zu der kommunistischen Gruppe und als die Stimmung in Gewalt umschlägt, findet sich Hulda zwischen den Fronten wieder.
 
Auch ohne Vorkenntnisse der anderen Bände konnte ich der Story problemlos folgen, einige Rückblicke nehmen Bezug auf vergangene Szenen und so habe ich die entscheidenden Figuren der Reihe kennenlernen können. Der flüssige und eindringliche Erzählstil hat mich schnell gefesselt und durch die bildhaft beschriebenen Szenen lief bei mir ein regelrechtes Kopfkino ab. Anne Stern haucht ihren Figuren mit ihren persönlichen Sorgen und Emotionen nachfühlbar Leben ein und besonders Hulda habe ich gerne auf ihrem schwierigen und ungewissen Weg als Schwangere begleitet.
 
Dieser Roman unterhält mit einem fesselnden Erzählstil und die bildgewaltigen Szenen beschreiben auf packende Weise sehr nachvollziehbar die politischen Spannungen und Auseinandersetzungen dieser Zeit in Hamburg. Hulda sorgt sich um ihre und die Zukunft ihres Kindes, sie hat Existenzängste und vermisst ihren Beruf als Hebamme. Ihre Erlebnisse habe ich von Anfang bis Ende mit Spannung verfolgt. Aber auch die Nöte, die Armut und die Krankheiten, die die Menschen dieser Zeit peinigen, hat die Autorin sehr klar umrissen.
Anne Stern verwebt hier Fiktion und politisches Zeitgeschehen zu einer runden Geschichte, die mich bis zum Ende gefesselt hat. Die Beschreibung der politischen Entwicklung nach der Weimarer Republik, die vielen Gruppierungen und deren Spaltung und die örtlichen Gegebenheiten Berlins setzen eine umfassende Recherchearbeit Anne Sterns voraus, durch die mir diese Zeit besser und lebendiger verständlich gemacht wurde als jemals im Geschichtsunterricht zuvor. Das Nachwort ist sehr interessant, denn dort bringt Anne Stern alles noch einmal auf den Punkt.
 
Karl tritt wieder in Huldas Leben, gerade noch rechtzeitig, um ihr bei der Geburt ihrer Tochter hilfreich zur Seite zu stehen. Die Geburt dieses kleine Sonnenscheins ist auf alle Fälle ein Höhepunkt dieses Bandes, durch den einige Figuren wieder näher zueinander rücken werden. Es ist für Hulda ein Neustart, den sie aber zu nutzen weiß und ich hoffe für sie, dass sie im nächsten Band wieder als Hebamme arbeiten kann. Vielleicht spielt auch Grete dann wieder eine Rolle als Medizinerin. 

Ein emotionaler und intensiv erzählter Roman, der die spannende und mitreißende Geschichte Hulda Golds vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung zeigt und Berliner Kolorit versprüht. Wer diese Reihe einmal begonnen hat, der wird Huldas Lebensweg weiter verfolgen wollen.