Rezension

Enjoy the little things

Der Glücksmacher - Thomas Sautner

Der Glücksmacher
von Thomas Sautner

Bewertet mit 3.5 Sternen

Auf der Suche nach dem Glück zu sein, ist ja sehr en vogue. Ich brauche nur willkürlich irgendeine Frauenzeitschrift aufzuschlagen und finde darin unter Garantie eine Anleitung zum Glücklichsein: Glücklich werden für Eilige. 20 Tipps für ein glückliches Leben. Oder so. Wenn ich ehrlich bin, dann findet sich unter meinen Wohnaccessoires auch das ein oder andere gerahmte Sprüchlein à la Enjoy the little things. Aber warum auch nicht. Manchmal ergibt das Leben eben keinen erkennbaren Sinn oder man lässt sich verblenden von Dingen, die wichtig erscheinen, ohne es zu sein. Dann den Blick auf das kleine Glück zu richten, hilft mir tatsächlich oft, um auf dem Boden zu bleiben.

Sebastian Dimsch in Thomas Sautners Roman Der Glücksmacher wird eines morgens ebenfalls vom kleinen Glück gekitzelt und will es nicht so schnell wieder hergeben. Es muss doch eine Möglichkeit geben, dass das Glück dauerhaft bei einem bleibt. Also macht er sich auf die Suche nach dem Glück und stellt schnell fest, dass Alkohol nicht immer eine Lösung ist und der Umzug in die Großstadt zwar die Perspektive ändern kann, aber nicht per se glücklicher machen muss. Auch alle gesteckten Ziele zu erreichen, halten das Glück nicht fest. Alles wird irgendwann alltäglich, auch die tolle Frau und die süßen Kinder. Aber schon viele schlaue Köpfe der Weltgeschichte haben sich mit dem Glück beschäftigt und Sebastian beschließt alles zum Thema zu lesen, so wird er sicher die eine Formel finden. Gut, dass es gerade in der Versicherungsgesellschaft nicht so gut für ihn läuft. Das firmeninterne Abstellgleis entpuppt sich als erster Glücksfall, denn so hat Sebastian Zeit zum Lesen und setzt damit eine Entwicklung in Gang, die auch für den Leser Überraschungen und Glücksmomente bereit hält.

Große Erwartungen hatte ich nicht an den Roman, schließlich lese auch ich ab und an Frauenzeitschriften und kenne die Empfehlungen zum Glück. Doch der Jahresanfang erschien mir nur allzu passend für die Lektüre und zudem war ich neugierig, was Thomas Sautner mir wohl für eine Geschichte erzählen will. Und ich wurde überrascht. Den Roman zu lesen, hat Spaß gemacht. Der Erzähler behält sich vor, seine Figuren allzu ernst zu nehmen und entwirft schön aus der Distanz ein Ensemble an Charakteren, die teilweise absurd und teilweise erschreckend bekannt daher kommen. Sautner zeigt mir Leser auf eine manchmal sogar schmerzvolle Weise auf, wie wichtig jeder Einzelne sich nimmt, mich Leser eingeschlossen, und wie sehr unser Miteinander von missverständlichen Interpretationen des Gegenübers geprägt ist. So leicht die Story daherkommt, die Figuren angelehnt an Stereotypen und Klischees sind – Sautner trifft mit ihnen dennoch genau den Kern und zeigt auf unterhaltsame Weise die Probleme unserer egoistisch geprägten Gesellschaft auf. Nebenbei schnappt man viele kluge und schöne Sprüche von weisen Menschen der Vergangenheit auf, die man nicht verstehen, sondern nur fühlen muss. Das kleine Glück eben:

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuem seine Hände hin.

Rainer Maria Rilke