Rezension

Erinnerungen an "König der Löwen"

The Poison Song  (The Winnowing Flame Trilogy 3) -

The Poison Song (The Winnowing Flame Trilogy 3)
von Jen Williams

Bewertet mit 5 Sternen

„The Poison Song“ ist das spektakuläre Finale einer großartigen Trilogie, für das die Autorin Jen Williams noch einmal tief in die Überraschungskiste greift und mit einer einzigen Wendung alle offenen Fragen klärt.

Als Jen Williams begann, ihre „The Winnowing Flame“-Trilogie zu schreiben, wollte sie sich selbst herausfordern. Die Bände ihres ersten Dreiteilers, der „Copper Cat“-Trilogie, waren in sich abgeschlossene Episoden, die eher lose miteinander in Verbindung standen. Für ihre zweite Trilogie wollte sie die Messlatte höher anlegen und eine Handlung konzipieren, die sich wirklich über drei Bände erstreckt. Das heißt, sie wusste immer, wie ihre Geschichte im Finale „The Poison Song“ enden würde. Im Dezember 2020 konnte ich es kaum erwarten, es ebenfalls herauszufinden!

Erleichterung breitet sich in Sarn aus. Seit Monaten wurden die Jure’lia nicht am Himmel gesichtet. Die Menschen beginnen zu glauben, dass das Wurmvolk endlich besiegt ist. In Ebora trauen Vintage, Noon, Tor, Aldasair und Bern dem Frieden hingegen nicht. Sie wissen, dass die Jure’lia zurückkehren werden. Gemeinsam versuchen sie, neue Verbündete zu gewinnen und einen Weg zu finden, den uralten Widersacher endgültig zu schlagen.
Doch die Jure’lia werden von Lady Hestillion unterstützt, die sich von ihrem Volk abwandte und zur Verräterin wurde. Während sich die Flotte der Königin tief unter der Erde von ihrer Niederlage erholt, experimentiert sie mit ihrer eigenen Verbindung zum empfindlichen Netz des Wurmvolks. Fest entschlossen, Sarn ihrem Willen zu unterwerfen, übernimmt sie die militärische Führung der Jure’lia und stellt eine Armee auf, die furchteinflößender ist, als es sich die Verteidiger_innen je vorstellen konnten.
Das Schicksal von Sarn ist noch nicht besiegelt. Aber wenn sich Geschwister im Kampf gegenüberstehen, wenn sich die Bande der Freundschaft mit den Banden des Blutes messen, kann nur ein gewaltiges Opfer eine ganze Welt vor der Auslöschung bewahren.

Zu Beginn dieser Rezension möchte ich euch eine Eigenheit der „The Winnowing Flame“-Trilogie verraten, die mir während der Lektüre von „The Poison Song“ aufgefallen ist: Ich habe vergessen, dass der Dreiteiler diesen Namen trägt. Das ist nicht erst im Finale passiert, sondern wahrscheinlich schon im Vorgänger „The Bitter Twins“. Mit all dem Trubel um legendäre Kriegsbestien, das gruselige Wurmvolk der Jure’lia und das im Sterben liegende Ebora war ich schlicht zu abgelenkt, um dem mysteriösen grünen Feuer, das Noon und andere Frauen mit denselben Fähigkeiten herbeirufen können, die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Mir ist entfallen, dass es einen Grund dafür gibt, warum Jen Williams ihrer Trilogie diesen Titel gab und dass Noon der Schlüssel dazu sein muss. Glücklicherweise verliert die Autorin dieses Detail hingegen nie aus dem Blick. In „The Poison Song“ enthüllt sie, weshalb der Dreiteiler nach dem „winnowfire“ benannt ist und nutzt es buchstäblich als Brücke zu allen anderen Aspekten ihrer epischen Geschichte. Mir erschien ihre Auflösung faszinierend, raffiniert und angenehm verblüffend. Ich glaube rückblickend, dass Williams beabsichtigte, ihre Leser_innen mit den anderen erstaunlichen Facetten ihres Worldbuildings in die Irre zu führen, denn dadurch wirkt die Wendung, die den finalen Showdown in „The Poison Song“ ermöglicht, wesentlich überraschender. Die bestechend elegante Simplizität, die die wahre Natur des „winnowfire“ den letzten Seiten der Trilogie verleiht, beeindruckte mich zutiefst.

Williams Offenbarung über das „winnowfire“ verleitete mich auch dazu, noch einmal intensiver über die verschiedenen Verbindungen und Dynamiken der Figuren nachzudenken. Einerseits kam ich zu dem Schluss, dass ich es wirklich bemerkenswert finde, wie unbeugsam sie der Verlockung widerstand, den Kriegsbestien mehr Raum zuzuschreiben, als es ihrem Wesen oder ihrer Aufgabe entspricht. Sie mögen ein magisches Wunder sein, aber im Kern sind und bleiben sie Nebenrollen, was die Autorin konsequent betont. Sie sind Helfer_innen, Unterstützer_innen, Krieger_innen mit einem klar definierten Daseinszweck. Als solche können sie nicht im Mittelpunkt stehen. Wer in „The Poison Song“ auf eine Neuauflage des Duos Eragon und Saphira hofft, sollte die eigene Erwartungshaltung überdenken.

Andererseits habe ich stundenlang über Lady Hestillion gegrübelt, die vermutlich umstrittenste Figur der gesamten „The Winnowing Flame“-Trilogie. Ich habe sie dank „The Poison Song“ noch einmal neu und viel intimer kennengelernt, als ich erwartet hatte. Obwohl ich ihre Entscheidungen niemals gutheißen werde, verstehe ich sie jetzt und empfinde enormes Mitgefühl für ihre komplexen, paradoxen Emotionen, die dazu führten, dass sie sich den Jure’lia anschloss.

Hestillion illustriert außerdem hervorragend, worum es in „The Winnowing Flame“ tatsächlich geht: Fäden, Bindungen, Beziehungen. Im Finale „The Poison Song“ lässt Jen Williams den Vorhang fallen und zeigt uns unter anderem anhand von Hestillion, wie machtvoll das Netz ist, das uns alle aneinanderbindet. Wir alle sind eins, auf einer Ebene, die viel grundlegender ist als Blut oder Empathie. Das ist eine wunderschöne Botschaft, die mich wehmütig lächelnd „Circle of Life“ aus „König der Löwen“ summen lässt.

Ich bin hin und weg von Jen Williams und ihrer „The Winnowing Flame“-Trilogie. Alle drei Bände waren großartige Leseerfahrungen, die meiner Liebe zur High Fantasy neue Nahrung boten. „The Poison Song“ ist ein spektakuläres Finale, das keine Wünsche offenlässt, emotionalen Tiefgang mit handfester Action verbindet und in mir dennoch die überwältigende Sehnsucht nach einer Fortsetzung weckte. Ich möchte mich nicht für immer von dieser Welt verabschieden.

Ich bete, dass Jen Williams eines Tages in das „The Winnowing Flame“-Universum zurückkehrt und weitere Geschichten erzählt, die ähnlich originell, mitreißend und berührend sind. Bisher gibt es allerdings noch keine Hinweise auf eine geplante Fortsetzung. Ich bewahre die Hoffnung und schließe mit einer vehementen, von Herzen kommenden Leseempfehlung: Gebt „The Winnowing Flame“ eine Chance. Ihr werdet es nicht bereuen.