Rezension

Ernüchternde Geschichte

Boy - Wytske Versteeg

Boy
von Wytske Versteeg

Bewertet mit 4 Sternen

„…dissociare, trennen oder wortwörtlich sich von der Gesellschaft abspalten…Nach Boys Verschwinden musste ich manchmal darüber lachen. Wie oft ich das anderen erklärt hatte. Was habe ich mir eingebildet, alles zu wissen!“

Boy ist vierzehn, als er stirbt. Verschwunden nach einem Schulausflug ans Meer  wird er einiges später tot, vermutlich Selbstmord, aufgefunden. Seine Mutter verliert sich in der Trauer und ihrem Bedürfnis irgendjemanden für das Geschehene die Schuld zuzuweisen, sich an dieser Person zu rächen.

Als Kleinkind wurde Boy von dem niederländischen Paar, sie Psychiaterin, er Entwicklungshelfer,  aus einem afrikanischen Waisenhaus adoptiert. Seine Adoptiveltern wollten ihm ein Leben ohne Entbehrungen bieten. Dass ihr Sohn zum Außenseiter wird, ohne Freunde, gemobbt in der Schule, wollen sie nicht wahrhaben. Dabei ist es gar nicht unbedingt seine Hautfarbe, die ihn zum Außenseiter macht. Seine ungewöhnliche Höflichkeit erscheint ihnen nur als gute Erziehung, nicht als Rückzug von der Gesellschaft in schreckliche Einsamkeit.

Nach Boys Tod zerbröckelt die Fassade, die Ehe der Eltern besteht nur noch aus Gewohnheit. Während Mark versucht, wieder in ein normales Leben mit dem Wunsch nach Geborgenheit zurückzufinden, bleibt die Mutter distanziert, emotionslos nach außen, lässt niemanden an ihr Innerstes, verdrängt alle seltsamen Vorkommnisse vor Boys Tod.

Mit aller Macht will sie der jungen Lehrerin Hannah die Schuld am Tod ihres Sohnes geben. Sie reist dieser bis nach Bulgarien nach, wo Hannah versucht sich ein neues Leben aufzubauen, um Rache an Boys Tod zu nehmen.

In Bulgarien entwickelt sich das Buch zu einem beklemmenden Kammerspiel zwischen den beiden Frauen. Im dritten Teil des Buches wechselt die Erzählperspektive von der icherzählenden Mutter zu einer Du-Rolle, als ob sie sich nun mehr selbst von außen betrachtet. Die Positionen der beiden Frauen verschwimmen, ohne sich der jeweils  anderen erkennen zugeben, umkreisen sie einander bis an den Rand der psychischen und physischen Grenzen. Trotzdem erfahren sie ein unerwartetes Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Abgeschiedenheit und Trostlosigkeit in der bulgarischen Einöde.