Rezension

Erschreckende Zukunftsvision

Die Scanner - Robert M. Sonntag

Die Scanner
von Robert M. Sonntag

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt

 

Alles Wissen für alle! Jederzeit! Kostenlos! Drei verlockende Argumente, mit denen die Scan AG ihr Vorgehen rechtfertigt, alle Druckerzeugnisse einzuscannen und danach zu vernichten.
Doch ist sie wirklich so selbstlos, wie sie tut?

 

Stell dir vor, du liest in aller Öffentlichkeit, ob im Park, in Bus und Bahn oder auf einer Bank in der Innenstadt. Plötzlich sprechen dich zwei fremde Männer an und bieten dir mehrere tausend Euro dafür, dass du ihnen das Buch verkaufst. Würdest du es tun, egal ob du es bereits zu Ende gelesen hast oder nicht?
Rob und sein Partner Jojo leben in einer vernetzten Welt, in der es keinerlei Druckerzeugnisse mehr gibt. Sie sind so genannte Scanner, die Leser aufspüren und ihnen ihre Schätze abkaufen. Jedes geschriebene Wort wird eingescannt und das Original dazu vernichtet. Nach außen hin begründet die Scan AG ihr Handeln damit, allen Menschen auf der Welt, ob arm oder reich, die Möglichkeit geben zu wollen, auf alles zugreifen zu können, was jemals geschrieben worden ist.
Doch als Rob ein Mitglied der ominösen Büchergilde kennen lernt, wird ihm eine ganz andere Sicht auf seine Arbeit präsentiert. Und auf einmal kommen ihm Zweifel, ob die Motive der Scan AG wirklich so uneigennützig sind, wie sie es behaupten.

 

Meinung

 

Die Scanner ist lediglich ein dünner Roman von nicht mal zweihundert Seiten, den man gut innerhalb weniger Stunden durchschmökern kann. Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten, die Sätze kurz und leicht verständlich, was ein flüssiges Lesen ermöglicht. Zudem wird man sofort in die Geschichte hineingeworfen und muss regelrecht weiterblättern, um diese fremde und doch gar nicht so abwegige Zukunft wirklich zu begreifen.
Und was das für eine Zukunft ist! Google, Facebook, Youtube und Co., verschmolzen zu einem riesigen Konzern, haben ihren Einflussbereich inzwischen weit auf beinahe jeden Bereich des alltäglichen Lebens ausgebreitet. Nichts funktioniert ohne die virtuellen Freunde, die ständige Überwachung des Konsumverhaltens und die Bereitschaft, jede Minute des Tages mit hunderten von Fremden zu teilen. Eine erschreckende Vision, die aber gar nicht so unwahrscheinlich ist. Das Schlimme daran ist, wie selbstverständlich die meisten Menschen in dem Roman dies hinnehmen, was die Hauptcharaktere Rob und Jojo eindrucksvoll beweisen. Erst der Kontakt zu Andersdenkenden reißt zumindest Rob aus seiner Begeisterung für diese Art der Existenz heraus und er lernt das wahre Gesicht seiner Arbeitgeber kennen.

 

Auf die Weise schafft der Autor eine interessante Geschichte, die einen darüber nachgrübeln lässt, wie weit wir eigentlich von solchen Zuständen entfernt sind. Spannend geschrieben, vor allem zum Ende hin, vermittelt der Roman genau diese Botschaft, ohne zu langweilen oder übertrieben zu moralisieren.
Leider kommt dabei die Figurengestaltung etwas zu kurz. Rob definiert sich hauptsächlich durch sein Handeln, seine Gefühlswelt wird kaum thematisiert. Daher fällt es schwer, sich in ihn hineinzuversetzen, in manchen Szenen, so emotional sie auch für ihn sein müssen, kann man wenig mit ihm mitfühlen. Man ist eher der stille, objektive Beobachter, ein teilnahmsloser Zuschauer, der eher aus Neugier das Geschehen verfolgt als aus Anteilnahme.
Zudem erschließen sich manche technische Details erst nach und nach, was zumindest anfangs bei mir für Verwirrung gesorgt hat. Ein paar weitere Erläuterungen wären wirklich hilfreich gewesen.

 

Fazit

 

Robert M. Sonntags Roman ist eine nachdenklich stimmende Zukunftsvision, die einige unangenehme Wahrheiten bereithält. Die Gefahren und Risiken einer ständig wachsenden Digitalisierung des täglichen Lebens werden eindrucksvoll und spannend geschildert, ohne den Leser zu langweilen. Manche Hintergründe hätte der Autor noch etwas ausführlicher schildern können, dann wäre die eine oder andere Erfindung wahrscheinlich besser vorstellbar gewesen. Dennoch sorgen die knapp zweihundert Seiten für abwechslungsreiche und besonders aufschlussreiche Unterhaltung.
Für Dystopienfans und solche Leser, die Bücher mit gesellschaftskritischem Inhalt bevorzugen, eine ganz klare Kaufempfehlung!