Rezension

es hat das kind in mir entdeckt, die Erforschung des Waldes

Waldbaden
von Annette Bernjus mit Anna Cavelius

Waldbaden, was kann ich mir darunter vorstellen? Da kommt mir sofort eine Assoziation aus der Vergangenheit ins Bild: ein kleines Mädchen, das mit viel Spaß und lautem Lachen im Herbst in einen Haufen abgefallener bunter Blätter fällt und es rascheln lässt. Und so ganz täusche ich mich da nicht, obwohl es noch unglaublich viel mehr ist, was die Autorin Annette Bernjus in ihrem Buch "WALDBADEN" vorstellt. Warum ich mir als Untertitel „Wecke das Kind in Dir“ vorstellen kann, erläutere ich weiter unten.

Die Idee, sich mit aller Aufmerksamkeit in den Wald zu begeben, um dort vielfältige Übungen zu tätigen, kommt aus dem Japanischen. Shinrin Yoku, die Gesundheitsvorsorge der Japaner, an der Waldluft zu baden, einen Pfad mit allen Sinnen und aller Aufmerksamkeit durch ein Stück Wald abschreiten. Es soll allerhand Krankheiten entgegenwirken beziehungsweise lindern, besonders, wenn man das Waldbaden mehrmals in der Woche oder auch regelmäßig im Monat bewerkstelligen kann. Es sind nicht nur die angesprochenen zehn einfachen Schritte, die zum Waldbaden führen, sondern die dafür anregenden Übungen und Hinweise, die, erst einmal angegangen, einem viel geben können. Die Autorin erklärt uns die verschiedenen Wälder in ihren Zusammensetzungen und unterschiedlichen Wirkungen. Wie sie untereinander kommunizieren und wie wichtig es ist, sie in unser Leben miteinzubeziehen.

Das erste Bild, das mir bei dem Wort Waldbaden in den Sinn kam, nämlich mich als Kind in einem Stapel Blätter zu sehen, fällt mir beim Lesen immer wieder ein. Denn Bernjus führt die Spiele und die Neugier der Kinder als Beispiele immer wieder an. Wie langsam sie sich vor Ort bewegen, jedes Blatt drehen sie um, wird genau studiert, jeder Käfer genauestens beobachtet. Daher fällt der Vorschlag, seine eigenen Kinder oder mit mehreren Familien das Waldbaden zu genießen, sehr oft.

Von Kindern können wir lernen beziehungsweise uns daran erinnern, wie langsam wir uns fortbewegen können, manchmal Stunden brauchen, um wenige hundert Meter Wald zu erforschen. Da kann ein Tümpel, ein Ausblick, ein Wasserlauf, herabgefallene Rinde oder der Ameisenhügel uns zu Pausen verführen. Es hat schon etwas meditatives, sich einen Ameisenhügel genauer anzuschauen. Dass das Stress abbauen kann, den Blutdruck senkt, wir entspannen können, die Aufmerksamkeit auf uns selbst erhöht und wir dadurch unseren Gesundheitszustand zu verbessern lernen, das klingt einleuchtend.
Sich Zeit nehmen, den Duft des Waldes tief einatmen, Gegenstände wahrnehmen, ihre Oberflächen berühren, etwas damit Bauen, ganz in Ruhe, mit seiner ganzen Aufmerksamkeit, dafür bedarf es Übung. Die immer wieder auch wie eine Ermahnung genannte Bitte, alle elektrischen Geräte zu Hause zu lassen, ist wohl notwendig. Wir nehmen ganz automatisch unser Smartphone mit, denn wir wollen ja fotografieren, festhalten, was wir sehen. Dabei ist es eine der Übungen, bewusst zu sehen, sich, wenn wir die Augen schließen, das Bild der Bäume, der Wiesen und Lichtungen, der Wege aus dem Gedächtnis abzurufen.
Und wenn wir mit Kindern oder unserem Partner, Freunden oder Kollegen das Waldbaden begehen, so soll es auch immer eine Zeit der Stille geben. Bernjus hat eine große Fülle von Partnerübungen parat, die uns den Wald und all seine Facetten auf eine Weise näherbringen, die wir aufgrund unserer Lebensstile oftmals vergessen haben oder manchmal noch nie so bewusst war.
Ein Bad im Wald soll eine überschaubare Strecke beinhalten und ruhig mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Der Vorschlag, nicht nur einen schönen Tag dazu zu nutzen, sondern in allen vier Jahreszeiten vielleicht sogar den Lieblingswald zu besuchen, um die Veränderungen der Bäume und ihrer Umgebung näher zu kommen, kann nur begrüßt werden. Jede Jahreszeit hat einen speziellen Duft, eine spezielle Temperatur, die es wieder zu entdecken gibt. Kältereize, Regentropfen, Nebelschwaden, Schneedecke, lichtdurchflutete Wege und vieles mehr geben einem Empfindungen wieder, die im Büroalltag, Stress allgemein, verloren gehen können. Man atmet regelrecht auf und kann Kraft tanken. Das gibt uns die Autorin mit auf den „Wald“Weg.
Es ist ein kleines, feines als Hardcover gestaltetes Buch, das nicht viel wiegt und sehr gut in die Handtasche, Rucksack oder Beutel passt. So kann man es neben Proviant und Getränk, Decke und was sonst so nötig ist für einen Ausflug, immer dabei haben. Liebevoll gestaltet, mit nicht zu kleiner Schrift, kurzen Abschnitten und erstaunlich vielen Anregungen zum Waldbaden und Informationen zu Wald und Gesundheit ist es ein rundum gelungenes Sachbuch. Es fehlt nicht an Übungen aus dem Yoga, Chi Gong und anderen traditionellen asiatischen Stilen.Und was mir sehr gut gefällt: es gibt keinen erhobenen Zeigefinger, der mit sagt, das muss nun so oder so sein, nein, ganz im Gegenteil. Die Autorin betont immer wieder ganz bewusst, dass nichts muss, alles sein kann, jeder nach seinem Rhythmus und momentanem Lebensgefühl seine Schritte führen soll. Und ganz zum Schluss möchte sie auch andere Personen anregen, sich ebenfalls als Übungsleiter beziehungsweise Übungsleiterinnen ausbilden zu lassen. Dafür gibt es dann auch Adressen und Informationen.
Unter der Internetadresse https://www.waldbaden.com/ finden sich noch sehr viel mehr Anregungen, Tipps und Informationen über die Autorin und ihre Kurse.