Rezension

Essen und Verlust

Crying in H Mart -

Crying in H Mart
von Michelle Zauner

Bewertet mit 3 Sternen

In „Crying in H Mart“ verarbeitet Michelle Zauner den frühen Tod ihrer koreanischen Mutter. So sind besonders das vielfältige koreanische Essen und die Einkäufe in asiatischen Supermärkten, den H Marts, das, was Michelle mit ihrer recht strengen Mutter verbindet.

Ich hatte mich auf eine emotionale Erzählung über Tod und Beziehung eingestellt und Zauner beschreibt auch anschaulich die unvorstellbar harten Monate von der Diagnose bis um Tod ihrer Mutter, die der Familie emotional alles abverlangt haben. Was mir aber in erster Linie in Kopf geblieben ist, ist das meiner Meinung nach ziemlich ungesunde Verhältnis, das Mutter und Tochter zueinander haben.

Zauner erzählt von Ereignissen aus ihrer Kindheit, die mich teilweise etwas fassungslos gemacht haben. So wird sie nach einem Sturz vom Baum bei dem sie sich verletzt nicht getröstet sondern ausgeschimpft. Sie soll „stark sein“. Auch davon, dass sie von ihrer Mutter geschlagen wurde berichtet sie. Und von einem eigentlich geringfügigen Streit in ihrer Teenagerzeit, in der ihre Mutter ihrem Vater „hit her!“ zuschreit, inklusive vielen „how could you do this to us?“. Wow. Nicht zu reden davon, dass ihre Mutter sie nicht bei ihrer Leidenschaft unterstützt, Musikerin zu werden.

Erstaunlicherweise empfindet Zauner, dass diese katastrophale Art der Erziehung gut für sie war (Ich musste ein wenig an Disneys Tangeld und das Lied „Mother knows best“ denken. Nunja...). Bei der krassen emotionalen Abhängigkeit, die sie als Erwachsene entwickelt hat, bin ich anderer Meinung. Natürlich lässt der Tod eines geliebten Menschen einen Dinge in einem anderen Licht sehen, aber ich finde, ein Tochter sollte nicht reuig an die Dinge denken, die sie als Kind oder Teenager falsch gemacht hat. Sie war jung! Jeder Teenager streitet mit seinen Eltern, das ist normal. Stattdessen verfällt Zauner in ein „When I just did x, I could have been the daughter my mother ever wanted.“ Es macht mich sehr traurig, dass ihre Mutter ihr nicht das Gefühl gegeben hat, einfach so wie sie ist, diese perfekte Tochter zu sein.

Da ich mich sehr an den Erziehungsmethoden der Mutter gestoßen habe, fiel es mir schwer, mich von ihrem Tod emotional mitnehmen zu lassen. Dabei beschreibt Zauner durchaus auch schöne und berührende Szenen, zeigt, dass ihre Mutter Humor hatte und wie sehr sie ihre Familie und die koreanische Heimat geliebt hat.

Tatsächlich ist das Buch immer dann am stärksten, wenn Essen beschrieben wird. Beim Essen gibt es keinen Streit, keine Strenge, nur Liebe und Genuss. So sind es auch die koreanischen Gerichte, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte ziehen. Kimchi, Bibimbap oder Samgyetang: Am liebsten hätte ich alles direkt probiert von dem Zauner schreibt. Hätte mich wie die Familie an einen voll beladenen Tisch gesetzt und mich durch all die verschiedenen Gerichte probiert!

Zusammengefasst ist „Crying in H Mart“ eine interessante Biografie, eine Hommage an eine zu früh verstorbene Mutter und ein bisschen eine Comming of Age Geschichte. Ich bin leider nicht ganz warm damit geworden. Wer sich aber für koreanisches Essen und eine etwas ambivalente Mutter-Tochter-Beziehung interessiert, sollte es hiermit durchaus einmal versuchen.