Rezension

Etwas mehr Selbstreflektion der Autorin hätte dem Buch gut getan

Hinter dem Schleier - Lydia Laube

Hinter dem Schleier
von Lydia Laube

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein bisschen mehr Selbstreflektion hätte der Autorin gut getan und den letzten Schubs zu 4 Sterne gegeben.

Ich bin hin und her gerissen. Einerseits liest sich das Buch sehr flüssig und die 223 Seiten flogen förmlich an mir vorbei. Der Schreibstil ist ein bisschen, als wenn man ein privates Tagebuch liest, was ich bei dieser Art Buch (Erfahrungsbericht) aber nicht schlimm finde. Ich habe zu keiner Zeit bereut dieses Buch zu lesen. Man saugt die Sätze förmlich in sich ein, denn man will wissen, was Lydia noch alles widerfährt in diesem Land, dessen Kultur so völlig anders ist als ihre und unserer eigene.

Dennoch konnte mich das Buch nicht völlig überzeugen. Lydia Laube ist für meinen Geschmack ein kleines bisschen zu selbstherrlich. Fast alle Menschen in diesem Land werden von der Autorin als faul dargestellt, die meisten Ärzte sind unfähig und die Krankenschwestern haben keine Lust zu arbeiten. Ich weiß nicht besonders viel über dieses Land (die Autorin übrigens als sie sich entscheidet dort eine Zeit zu arbeiten auch nicht), aber auch wenn der Lebensstil dort ein völlig anderer ist, als hier in Westeuropa oder in Australien, so gehe ich mal davon aus, dass es auch dort gut ausgebildete und motivierte Menschen gibt wie in anderen Ländern der Welt. Das in einem Krankenhaus mir ca. 600 Betten und 500 Mitarbeitern kaum die Hälfte der Mitarbeiter vernünftig arbeitet, das kann ich einfach nicht glauben. Der Standard mag um einiges schlechter sein (zumal die Autorin in den 80er Jahren in Saudi-Arabien war, wenn ich das richtig herausgelesen habe, da sie davon schreibt, dass Reagan Präsident der USA ist), als wir es gewohnt sind, aber dem muss ich mich anpassen, wenn ich in ein anderes Land gehe.

Ich hätte mir gewünscht, dass man mehr über den Krankenhausalltag erfährt, noch mehr über die Lebensweise der Menschen. Es scheint aber so, als ob die Autorin zum “normalen” Leben in Saudi-Arabien keinen Zugang erhalten hat. Von daher erfährt der Leser fast ein bisschen wenig über Land und Leute im Alltag. Heftig schlucken musste ich doch ein ums andere Mal, wenn die Autorin über die drakonischen Strafen berichtet, die auf alles mögliche stehen. So werden Dieben die Hände abgehackt, Frauen, die “Ehebruch” begehen (dabei muss die Frau nicht verheiratet sein, sondern sich nur mit einem Mann in einem geschlossenen Raum aufhalten) werden ausgepeitscht oder zu Tode gesteinigt. Für uns westliche Menschen kaum vorstellbar, dass es so etwas auch heute noch auf der Welt gibt.

Von mir gibt es gute 3 Sterne mit der Tendenz zu 4 Sterne. Ein bisschen mehr Selbstreflektion hätte der Autorin gut getan und den letzten Schubs zu 4 Sterne gegeben.