Rezension

Familiengeschichte vor bedeutsamem historischen Hintergrund - leider mit zu wenig Tiefgang!

Das verschlossene Zimmer -

Das verschlossene Zimmer
von Rachel Givney

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Das verschlossene Zimmer" von Rachel Givney ist als gebundenes Buch mit 544 Seiten im Februar 2022 beim Lübbe Verlag erschienen.

Krakau, 1939: Marie versucht, mit allen Mitteln hinter das Familiengeheimnis zu kommen, das ihr Vater Dominik vor ihr verbirgt. Warum hat ihre Mutter Marie verlassen und was ist aus ihr geworden? Diese Fragen treiben Marie persönlich um und zugleich werfen die sich nähernden Nazis unheilvoll ihre Schatten voraus...Die Lage im Krakau (und natürlich nicht nur dort) spitzt sich zu, insbesondere für die Juden wird es sehr gefährlich...

Rachel Givney hat einen Roman geschrieben, der eine geheimnisvolle Familiengeschichte vor dem erschütternden Hintergrund der Anfänge des zweiten Weltkriegs erzählt. Ihr Schreibstil ist bildhaft und baut einen gewissen Spannungsbogen auf, jedoch fehlt es mir an Tiefe und Intensität. Ich hatte einen erschütternden und nachhallenden Roman erwartet, der die Gräueltaten der Nazis aus der Perspektive Polens näher beleuchtet. Das ist aber eher Nebensache, und auch die Aufklärung des Familiengeheimnisses war in meinen Augen nicht ganz schlüssig.
Außerdem ist das Sprachniveau eher einfach gehalten, was der komplexen Thematik nicht ganz gerecht wird und eher wie ein Jugendroman herüberkommt.

Marie ist eine durchaus sympathische Protagonistin, mit der ich einerseits mitgefiebert habe, denn es muss schon sehr belastend sein, wenn man bei den Fragen nach der eigenen Mutter nur auf Schweigen stößt. Andererseits jedoch wurde Marie sehr ambivalent dargestellt, teilweise hochintelligent wie bei dem Chemietest, zumeist aber eher naiv und nahezu blind für die Geschehnisse in ihrem Umfeld und trotzig-pubertär in ihrem Verhalten. 

Das Verhältnis zwischen Marie und ihrem Vater Dominik, einem angesehene Arzt, ist nicht so tief und innig, wie man vermuten möchte. So hat es mich z.B. ziemlich überrascht, dass Marie wegen Ben zum Judentum konvertiert, ohne zuvor mit Dominik darüber zu reden...
Im Wesentlichen spielt das Buch auf 2 Zeitebenen und schildert die Beziehungn zwischen Dominik und Helene sowie zwischen Marie und Ben.

Mir persönlich war "Das verschlossene Zimmer" etwas zu sehr Liebesgeschichte und zu wenig historischer Roman, es lässt sich jedoch flüssig und durchaus spannend lesen, wenn man nicht zu viele Erwartungen an die Lektüre stellt...