Rezension

Fast anarchische Zustände

Im Schatten der Wende -

Im Schatten der Wende
von Frank Goldammer

Bewertet mit 5 Sternen

          Mittendrin im heißen Wendeherbst 1989 – so beginnt der neue Krimi von Frank Goldammer. Der junge Polizist Tobias Falck wird von seiner Weiterbildung aus Aschersleben abberufen, um die kritische Lage der Demonstrationen mit seinen Genossen der Volkspolizei in Leipzig, unter Kontrolle zu halten. Seine Gefühle, seine Ängste bei diesem Einsatz, die drohende Eskalation werden eindrücklich und fassbar geschildert. Nach der kurzen Einführung erfolgt ein Rückblick ins Frühjahr 1988 und man erhält Einblicke in den Arbeitsalltag von Volkspolizei-Obermeister Falck in seiner Heimatstadt Dresden. Ich finde das als einen geschickten Schachzug von Frank Goldammer, um die damaligen Gegebenheiten in der DDR zu verdeutlichen. Es handelt sich ja nur um wenige Monate, in denen sich große gesellschaftliche Veränderungen ereigneten.
Kurz nach dem Fall der Mauer tritt Tobias Falck als Leutnant seinen Dienst beim Kriminaldauerdienst an. Die Rechtsgrundlagen in der veränderten Situation sind unsicher und die Herausforderungen an die Kriminalisten erweisen sich bald als sehr hoch. Die Kriminalität entwickelt sich rasant. Plötzlich haben sie es mit schwersten Delikten zu tun: Drogenhandel, Prostitution, Mord auf offener Straße. Leichen verschwinden spurlos vor ihren Augen. Dazu kommt plötzlich eine westdeutsche Kommissarin, die in Dresden einen Serienkiller vermutet. Das Team gerät immer mehr unter Druck.

Der Autor verbindet geschickt die geschichtlichen Ereignisse der Wendezeit mit den Kriminalfällen. Dabei zeigt er eine realistische Sicht auf die Lage der Menschen in ihren Lebensumständen, auf die Orientierungslosigkeit der Jugend und ihr Abgleiten in die Kriminalität, auf den desolaten Zustand der Bausubstanz und der gesamten Infrastruktur. Das ist gut recherchierte Zeitgeschichte.
Nach der Reihe um den sympathischen, geradlinigen Max Heller, die mir sehr gefiel, begegne ich nun einem neuen Typus Polizist. Tobias Falck wurde in der DDR ausgebildet und schwor seinem sozialistischen Staat die Treue. Doch der kam ihm fast über Nacht abhanden.

(S. 86) „In den letzten Tagen hatte sein Bild von der DDR Flecke und Kratzer bekommen. Was er früher als kleine Unzulänglichkeit betrachtet hatte,…, hatte hier auf einmal eine andere Bedeutung bekommen. Hier waren kein Aufbau und kein Fortschritt. Hier sah man nur Stillstand und Verfall.“

Wie der junge Mann damit zurechtkommt, wie er die neue Situation verarbeitet, wurde gut dargestellt. Es geht allzu vieles drunter und drüber. Ich bin gespannt auf die Fortsetzung der Reihe und auf die Entwicklung der Charaktere der Kollegin Steffi Bach und des Vorgesetzten Edgar Schmidt. Vielleicht gibt es auch eine weitere Begegnung mit der Kommissarin aus Frankfurt am Main, Sybille Suderberg! Ich bin sehr gespannt auf Band 2.

Fazit:
„Schatten der Wende“ ist eine hervorragend aufgebaute Geschichte und interessant erzählt. Der Autor bleibt authentisch, beschönigt nichts an der Realität, übertreibt aber auch nicht. Ich kann das als ostdeutsche Zeitzeugin beurteilen.
Der Protagonist Tobias Falck wurde nachvollziehbar charakterlich dargestellt, seine langsame Erkenntnis, die Wandlung in seinen Ansichten wird ersichtlich, sein Selbstvertrauen wächst.

       

Kommentare

hobble kommentierte am 17. Februar 2022 um 05:35

was fürs wunschregal