Rezension

Fast eine Autobiografie - erzählt in Miniaturen...

Maud Martha -

Maud Martha
von Gwendolyn Brooks

Bewertet mit 4 Sternen

Die Wiederentdeckung der Schwarzen amerikanischen Literatur - fast eine Autobiografie in Miniaturen, prägnant und treffend skizziert...

Maud Martha Brown wächst in den 1940ern in der South Side von Chicago auf. Inmitten von verfallenen Kneipen und überwucherten Gärten träumt sie von New York, von der großen Liebe, von einer heiteren Zukunft. Sie schwärmt für Löwenzahn, verliebt sich das erste Mal, dekoriert ihre erste eigene Küchenzeile, bekommt ein Kind. Auch ihr hellhäutigerer Mann hat Träume: vom «Foxy Cats Club», von anderen Frauen, vom Krieg. Und dann ist da als allgegenwärtiger Begleiter noch der Rassismus dieser Zeit, angesichts dessen es nicht immer leicht fällt, Gleichmut und Würde zu bewahren. In lakonischen Vignetten skizziert Gwendolyn Brooks den Alltag einer jungen Schwarzen Frau und erschafft dabei große Weltliteratur. (Klappentext)

Der Bezeichnung "Roman" kann ich in diesem Fall kaum folgen, denn erzählt wird hier eher unzusammenhängend in lose aufeinanderfolgenden Vignetten von jeweils wenigen Seiten, wenn auch zumeist chronologisch. Grob skizziert werden hier einige Jahrzehnte eines Frauenlebens, das eher auf der Schattenseite des Lebens anzusiedeln ist, von den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Vergleicht man die Schilderungen des Lebens von Maud Martha Brown mit den Eckdaten der Autorin, wird man auf nicht unerhebliche Parallelen stoßen. Einiges ist jedoch auch nicht stimmig, so dass es sich hierbei wohl am ehesten um eine autofiktionale Erzählung handeln dürfte.

Tatsächlich hat die Pulitzer-Preis-Trägerin Gwendolyn Brooks mit "Maud Martha" ihren einzigen Roman verfasst - ansonsten hat sie sich der Lyrik gewidmet, was dem Schreibstil auch von diesem Buch durchaus anzumerken ist. Sehr bildhafte, auf eine kleine aber treffende Essenz zusammengeschnürte und fein geschliffene Schilderungen, teilweise von einer unerwartet zauberhaften Poesie durchdrungen in einer ansonsten durch und durch grauen Welt. Da gab es doch etliche Passagen, die mich angesprochen haben.

 

"Sie mochte Schokolinsen und Bücher und gemalte Musik (tiefblau oder zartsilbern) und den sich wandelnden Abendhimmel, von den Stufen der hinteren Veranda aus betrachtet. Und Löwenzahn. Gelbe Alltagsedelsteine, mit denen das geflickte grüne Kleid ihres Hinterhofs verziert war. Sie mochte diese nüchterne Schönheit, mehr noch aber ihre Alltäglichkeit, denn darin glaubte sie ein Abbild ihrer selbst zu erkennen, und es war tröstlich, dass etwas, was gewöhnlich war, gleichzeitig eine Blume sein konnte."

 

Ansonsten erscheint der Ton meist lakonisch-distanziert, auch wenn manche Gefühlslagen sich nahezu aufdrängen. Im Zentrum des Geschehens steht Maud Martha, eine junge Schwarze Frau, die nicht allein aufgrund des allseits vorherrschenden Rassismus benachteiligt wird, sondern auch wegen ihrer Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse sowie aufgrund ihres Geschlechts als Frau. Drei Anlässe zur Diskriminierung, und dementsprechende Erfahrungen schildern viele der Vignetten. Doch trotz der Enttäuschungen im Leben, der Erniedrigungen und Demütigungen - eines lässt sich Maud Martha nicht nehmen: ihre Würde. Selbstbestimmung, Anstand, Selbstachtung - das sind die drei Säulen ihres Lebens.

Als Leseerlebnis konnte mich der Roman nicht vollkommen abholen, da Maud Martha als Person für mich wenig greifbar blieb, doch in der Prägnanz der Darstellung konnte mich die Erzählung beeindrucken. Sehr aufschlussreich war dabei das Nachwort von Daniel Schreiber, das mir bei der Einordnung des Gelesenen half und auch schlüssig aufzeigte, weshalb es wichtig ist, dass der Roman nicht in der Versenkung verschwindet. Empfehlungen durch Prominente wie Barack Obama trugen dazu bei, dass man sich dieses Buches aus dem Jahr 1953 erinnerte, und das nun erstmals auch in einer deutschen Übersetzung vorliegt.

Eine interessante Leseerfahrung...

 

© Parden