Rezension

Fast so gut wie der erste Teil, nur anders

Sapphique, Fliehen heißt Leben
von Catherine Fisher

Bewertet mit 4 Sternen

Er ist endlich frei, hat Incarceron hinter sich gelassen und seinen wahren Platz in der Welt eingenommen und allen Grund, seine Privilegien zu genießen.
Doch in Wahrheit hat er nur ein Gefängnis gegen ein anderes eingetauscht.

 

Finn konnte entkommen, wie er es sich lange erträumt hat. Aber seine Freunde Attia und Keiro sind immer noch dort gefangen und suchen verzweifelt nach einem Ausweg, während Finn alles unternehmen will, um sie zu retten.
Allerdings hat er eine Aufgabe zu erfüllen, denn er ist Prinz Giles und soll sich für Claudia seinen Pflichten stellen und die Königin stürzen. Aufgrund dessen ist sein Leben weiterhin in Gefahr, während sich von einer unerwarteten Seite auf einmal eine weitere Bedrohung erhebt: Incarceron will unbedingt Sapphique folgen, den einzigen Gefangenen, den es je geliebt hat. Und dafür ist ihm jedes Mittel recht, selbst wenn er seine eignen Hallen und Gänge und die Außenwelt opfern muss.

 

 

Nachdem ich den ersten Band von Catherine Fishers Dilogie gelesen hatte, wusste ich, dass ich mir unbedingt auch den zweiten holen musste. Sapphique hat mich sehr verblüfft, nur ganz anders, als ich erwartet hatte.
Die Figuren sind sich erfreulicherweise treu geblieben und bestechen gleichzeitig mit neuen Seiten, die nach und nach zum Vorschein kommen. Hatte ich im Vorgänger noch das Gefühl, die Autorin würde irgendwann dazu übergehen, Finn und Claudia zu verkuppeln, wird nun deutlich, wie unterschiedlich sie wirklich sind. Finn wirkt fast etwas verloren dort in der Außenwelt, während Claudia allmählich erkennt, dass sie sich ihren Plan, die Königin loszuwerden, doch etwas zu einfach vorgestellt hat. Die Ernüchterung der beiden wird wunderbar realistisch dargestellt, ebenso diejenige bei Keiro, der sich in seine Wut auf seinen besten Freund regelrecht hineinsteigert. Man kauft sie ihm sofort ab, selbst wenn man hofft, dass er dadurch nicht zum Bösewicht wird. Attia bildet da den perfekten Gegenpart zu ihm und schafft es immer wieder, ihn auf den Boden zurückzuholen, mag es auch erst nicht danach aussehen. Aber am meisten hat mir diesmal Jared gefallen, der heimliche Held, der zerrissen ist zwischen dem Wunsch gesund zu werden und Claudia zu retten, was ihn zur tragischsten Figur des Ensembles macht.

 

Der Schreibstil lehnt sich an den ersten Teil an und beschreibt immer wieder die fremde Welt, in der die Protagonisten um ihr Leben kämpfen müssen, in anschaulichen Bildern. Doch im Gegensatz zu Incarceron halten sich diese Beschreibungen in überschaubaren Grenzen, was oft richtig schade ist. Ich hätte gerne mehr über die Außenwelt und vor allem das Innere des Gefängnisses erfahren, gerade weil es sich so vielfältig verändern kann. Eben das, was dem Vorgänger seinen Reiz verliehen hat, fehlt hier fast völlig. Dabei bleibt die dunkle Atmosphäre des Vorgängers etwas auf der Strecke, was nicht heißt, dass der Roman nicht spannend genug wäre.
Denn die Autorin beweist auch hier ihren Ideenreichtum und weiß mit so einigen unerwarteten Wendungen zu überraschen. Vor allem die Auflösung mancher Rätsel und Geheimnisse hat mich häufig erstaunt zurückgelassen, weil vieles erst im Nachhinein einen völlig logischen Sinn ergibt. Und selbst der teilweise umstrittene Schluss fällt darunter. Zwar hätte ich mir für bestimmte Charaktere etwas ganz anderes gewünscht, aber die Ereignisse sind stimmig und in sich abgeschlossen. Leider werden dabei nicht alle Fragen geklärt, was den einen oder anderen Leser schon mal frustrieren kann. Mir gibt es dafür viel Raum zum Spekulieren, was ich sehr mag.

 

 

Sapphique ist eine gelungene Fortsetzung des Vorgängerbands Incarceron. Die Figuren werden glaubhaft weitergeführt und –entwickelt und mit neuen Facetten versehen, die Handlung ist spannend und strotzt besonders vor unerwarteten Wendungen und der Schreibstil ist, wie vom ersten Teil gewohnt, flüssig zu lesen und sehr anschaulich in seinen Beschreibungen.
Leider erfährt man wenig Neues über das Innere des Gefängnisses oder andere Orte in der Außenwelt als die bereits vorgestellten. Außerdem bleiben viele Fragen offen, die ich gerne noch geklärt gehabt hätte.
Wer den Vorgängerband liebt, sich gerne von dramatischen Szenen mitreißen lässt und einfallsreiche Dystopien mit nachvollziehbaren Charakteren zu schätzen weiß, der sollte sich auch den zweiten Teil von Catherine Fishers Dilogie unbedingt genauer ansehen.