Rezension

Feiner österreichischer Horror-Roman

DER JUDAS-SCHREIN - Andreas Gruber

DER JUDAS-SCHREIN
von Andreas Gruber

Bewertet mit 5 Sternen

Im kleinen Ort Grein am Gebirge wird ein junges Mädchen tot aufgefunden. Die Leiche ist grausamst zugerichtet, und die Ermittlungen für Kommissar Körner und sein Team gestalten sich schwieriger als geahnt. 

Obwohl Autor Andreas Gruber eher für seine Krimis und Thriller bekannt ist, hat man mit "Der Judas-Schrein" einen exzellenten Horror-Roman in der Hand. 

Ich liebe Horror-Literatur und ich mag die Bücher von Andreas Gruber. Außerdem hat mich das Setting um das Dorf Grein am Gebirge sofort angesprochen. Die Ortschaft klingt für mich als Österreicherin vertraut und die regnerische Atmosphäre verspricht eine düstere Lesezeit.

Es beginnt wie ein normaler Krimi. Eine Leiche wird gefunden, die Kripo gerufen und Ermittlungen aufgenommen. Allerdings wendet sich das Blatt rasch, wenn man gemeinsam mit der Polizei den Tatort betritt. Das Mädchen ist arg verstümmelt, sodass sogar mehrere Rückenwirbel fehlen.

Es liegt an Körner und seinem Team, den Mord aufzuklären. Jedoch wehrt sich die hiesige Bevölkerung gegen Einmischung von außen und die Menschen sehen sich vom bevorstehenden Hochwasser bedroht.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Greins Dorfgemeinschaft und wie sie sich gegen Eingriffe von außerhalb stellt. Meiner Meinung nach hat Andreas Gruber den ländlichen Zusammenhalt, die Sturheit und die rohe Skepsis der hiesigen Bevölkerung perfekt in Szene gesetzt. Es wirkt wie aus dem Leben gegriffen, wenn jeder Fremde zweifelnd beäugt und als Eindringling betrachtet wird. 

Kommissar Körner sind ländliches Gebaren und die Ortschaft Grein am Gebirge nicht fremd. Er selbst hat hier seine Kindheit verbracht. Deshalb kennt er die Strukturen und die Verhältnisse. Dennoch fällt es ihm schwer, in dem Dorf zu ermitteln, weil er seither jeden Gedanken daran vermied.
Körner und sein Ermittlungsteam haben mir ausgezeichnet gefallen. Allesamt wirken sie real, zwischen den Kollegen läuft der österreichische Schmäh und sie versuchen, den Mord aufzuklären, auch wenn sie dabei an ihre Grenzen stoßen. 

Nach und nach ergeben sich merkwürdige Details, die nicht ins Bild passen. Abgesehen von der Todesursache erregt eine seltsame Vorrichtung am Tatort das Interesse, dabei ist der Tathergang selbst äußerst mysteriös, weil bisher keine Theorie Sinn ergibt. 

Dadurch sind Spannung und Rätselcharakter gegeben, die von weiteren Perspektiven ergänzt werden. Der Leser taucht im Jahr 1937 ins Bergwerk ab, wo man die Kumpel in den Untergrund begleitet, und es wird ein Tagebuch entdeckt, das die furchteinflößenden Erfahrungen eines Mesners beschreibt. Doch wie hängt das alles zusammen?

Die Atmosphäre verströmt Weltuntergangsstimmung. Es regnet, und regnet, und regnet. Das Wasser bahnt sich seinen Weg, es ist dunkel, düster, feucht. Die Greiner arbeiten auf Hochtouren, um dem Hochwasser die Stirn zu bieten. Dennoch ist das Dorf bald von der Außenwelt abgeschnitten und die Beamten sind auf sich gestellt.

"Der Judas-Schrein" ist allein durch Lokalkolorit und düsteres Ambiente exzellent erzählt. Diese nass-triste Stimmung schwappt auf den Leser über, man fühlt die Feuchtigkeit in der Kleidung, wischt sich Tropfen aus dem Gesicht, und wickelt sich in eine Decke, damit man das Zittern unter Kontrolle hält. 

Dabei verwendet Gruber bekannte Horror-Elemente und platziert sie in einem unschuldigen Dörfchen, wo das Grauen aus dem Boden kriecht und die Angst vom Himmel fällt. Das ist meiner Meinung nach ganz großartig eingefädelt, weil so manche ländliche Ortschaft von sich aus Schaueratmosphäre verströmt. Gruber hat amerikanischen Southern Gothic nach Österreich geholt, und daraus ein famoses Horror-Werk - in Anlehnung an den monströsen Lovecraft - kreiert. Herr Gruber, ich hätte bitte gern mehr davon!

Abschließend bleibt zu sagen, dass mich „Der Judas-Schrein“ gefesselt und gegruselt hat. Authentische Figuren, düstere Regenatmosphäre und beklemmendes Dorfambiente sorgen für schaurig-geniale Lesestunden, die ich jedem Horror-Leser nur wünschen kann.