Rezension

Fesselnd

Als es Nacht war in Dresden - Edith Siemon

Als es Nacht war in Dresden
von Edith Siemon

Wir schreiben das Jahr 1926. Eine junge Frau bringt ein Kind zur Welt: Edith. Edith wächst bei ihren Großeltern auf, wo sie ein behütetes Leben führt. Zu ihrer Mutter hat sie Zeit ihres Lebens ein angespanntes Verhältnis. Von ihrer Mutter fühlt sie sich ungeliebt. Ihr Vater lebt in Hamburg, wo er inzwischen eine neue Familie hat. Auch Edith zieht es weg von Zuhause. Sie kommt nach Dresden, verliebt sich in die Stadt und möchte dort eine Schule besuchen. Die Zeiten sind jedoch nicht rosig. Die Nazis ergreifen die Macht und schließlich ist Krieg. Anfangs bleibt für Edith und ihre Freundinnen in Dresden noch alles beim Alten. Sie gehen zur Schule, ins Kino und manchmal auch zum Tanzen. In einem Tanzlokal lernt sie auch Karl kennen, ihre erste große Liebe. Mit ihm verbindet sie etwas ganz Besonderes, doch Karl erleidet im Krieg eine Kopfverletzung. Eine spätere Operation wird er nicht überleben. Edith muss lernen, mit diesem schwerem Verlust zurecht zu kommen. Das Überleben wird härter. Nahrungsmittel gibt es nur noch auf Lebensmittelkarten. Erste Flüchtlingsströme aus dem Osten ziehen durch Dresden. Frauen, Kinder, alte Menschen, verhärmt, traumatisiert, dem Tod näher als dem Leben. Man versucht zu helfen, wo es nur geht, doch die Flüchtlingsströme lassen nicht nach. Bald gibt es auch in Dresden, wie auch im Rest Deutschlands, immer weniger zu essen. Man kann nicht mehr helfen. Jeder versucht für sich zu überleben, so gut es irgendwie geht. Menschen verschwinden plötzlich, kommen nicht wieder. 
Der Krieg ist nun auch in Dresden angekommen. Bombenalarm. Heran donnernde Flugzeuge. Brennende Häuserzeilen. Viele Tausend Tote auf einmal, doch den Überlebenden fehlt die Kraft, ihre Toten zu beerdigen. Vom Hunger geschwächt werden die Toten auf riesigen Scheiterhaufen verbrannt.
Edith flieht mit ihrer Freundin Gisela nach Bergen auf Rügen. Dorthin wurden Giselas Eltern evakuiert, ausgebomt in Rostock. Doch Edith hat eine Vision. Sie muss zurück nach Dresden, versucht es mit allen Mitteln und schafft es auch irgendwie. 
Dann endlich - irgendwann - ist der Krieg vorbei. Deutschland ist in Zonen aufgeteilt. Edith befindet sich in der russischen Zone, möchte jedoch unbedingt zurück nach Hause - in die französiche Zone. Unterwegs auf ihrer beschwerlichen Reise bricht Edith zusammen. Unterernährung ist der Grund. Doch immer wieder trifft sie Menschen, die sich liebevoll um sie kümmern. Irgendwann hat Edith es geschafft. Sie ist wieder Zuhause, doch sie sucht dringend eine Anstellung, will selbständig sein und nicht von ihren Lieben abhängig, die selbst nichts mehr haben. So gelangt Edith in den Schwarzwald, wo sie 4 Jahre lang den Haushalt eines älteren Herrn führt. Sie verliebt sich in dessen Sohn, zieht mit ihm weg, doch die Beziehung scheitert. 
Edith fängt eine neue Stelle in einem Krankenhaus an, wo sie unter tragischen Umständen ihren späteren Ehemann Richard kennenlernt. 

"Als es Nacht war in Dresden" ist ein autobiografischer Roman. Es ist die Geschichte der Autorin Edith Siemon. Ein Buch, das zu Herzen geht. Ein Buch, das einen fragen lässt, wie die Menschen diesen furchtbaren Krieg überhaupt überstehen konnten. Das Elend, der Hunger, das Leid. Edith Siemon schreibt sehr intensiv, sehr bildhaft. Man sieht die brennenden Häuser. Man hört die herannahenden Bomber. Man spürt die Enge in den überfüllten Zügen, in den Schutzräumen. Ein Roman, der erschüttert und dennoch ein Roman voller Leben, voller Hoffnung.