Rezension

Fesselnd bis zum Ende

Wähle den Tod - Jutta Maria Herrmann

Wähle den Tod
von Jutta Maria Herrmann

Eine Frage, der sich wohl niemand möchte stellen müssen

Jana Langenfeld führt ein perfektes Leben: Mit ihrem Mann und den beiden Kindern, Kim und Max, lebt sie im Umfeld von Berlin – anscheinend ohne ernstere Sorgen. Doch eines Tage wird diese Idylle getrübt, als ihr Hund bestialisch im Garten getötet wird. Ihrem Sohn, Max, verschweigt sie das Geschehene und verstrickt sich so in ein Netz aus Lügen. Jedoch dieses ist nicht die einzige Lüge in ihrem Leben. Als dann noch eine weitere Person aus ihrem Umfeld stirbt und ihre Kinder entführt werden, muss sie sich ihrer Vergangenheit stellen – mit verheerenden Folgen.

„Wähle den Tod“ ist das erste Buch, das ich von Jutta Maria Herrmann gelesen habe, und ich war positiv angetan.

Die Autorin beginnt ihr Werk mit einer Rückblende, die den Leser mit einigen offenen Fragen zurücklässt, und sich erst gegen Ende des Buches auflösen. Schon hiermit baut sich ein Spannungsbogen auf, der den Leser bis zum Ende des Buches in Atem hält, um sich dann in einem fulminanten Ende aufzulösen.

Nach einem Sprung in die Gegenwart entpuppt sich die Langenfeld’sche heile Welt als ein einziges Lügennetz, das sich allerdings erst nach und nach entfaltet. Dieses erreicht die Autorin dadurch, dass sie dem Leser die wahren Hintergründe nur häppchenweise präsentiert – teils durch Rückblenden in Janas Geschichte, teils durch Janas Gedanken. Immer wieder wird der Leser dabei auch auf falsche Fährten gelockt: Ist es Janas beste Freundin Sylvie, die diese Intrigen strickt? Die Indizien dafür erhärten sich jedenfalls. Und dass Kims Internetbekanntschaft, Sebi, nicht ganz koscher ist, ist von Anfang an klar. Doch welche Rolle er spielt, wird erst gegen Ende ersichtlich.

Jutta Maria Herrmann kommt in ihrem Roman mit wenigen Charakteren aus, die sehr realistisch und damit auch sympathisch gezeichnet sind. Die Kinder sind nett und wohl erzogen, die pubertären Eskapaden der Tochter Kim halten sich in Grenzen. Hannes, Janas Mann, arbeitet an seiner Karriere, kümmert sich aber dennoch nach bestem Wissen und Gewissen um seine Familie, und Janas beste Freundin, Sylvie, erregt mit ihrer Lebenssituation ein bisschen Mitleid. Erscheint Jana anfangs ebenfalls als eine hingebungs- und verantwortungsvolle Mutter, so offenbart sich ihr wahrer Charakter erst im Laufe der Handlung und lässt den Leser mit keinem guten Bild zurück. Ich frage mich am Ende, ob sie überhaupt etwas aus ihrer Geschichte oder ihrem Handeln gelernt hat, oder ob sie nicht auch ihr zukünftiges Leben auf Lügen aufbauen wird. Mir fehlt am Ende einfach ihre Aufrichtigkeit.

Die Rückblenden führen den Leser immer wieder in die DDR- und die Wendezeit. Die Geschichte wird hier allerdings nur am Rande historisch, sondern vor allem persönlich aufgearbeitet: Welche Sehnsüchte hatte Jana, als sie das erste Mal in den Westen kam? Welche Hoffnungen hatte sie, aus ihrem engen Alltagstrott auszubrechen? Sie hat die Gelegenheit zur Freiheit am Schopfe gepackt – allerdings mit weitreichenden Konsequenzen.

Psychologisch interessante Aspekte des Thrillers sind zudem die Frage: Wie kann ich eine Familie zusammenhalten, zu der ich selber keinerlei innere Bindung verspüre – erst recht, wenn es sich um die eigenen Kinder handelt und ich selbst fast noch ein Kind bin? Und dann die wohl schlimmste Frage, die man einem Menschen stellen kann: Bin ich bereit, mein Leben zu opfern, um ein anderes zu retten? Bin ich bereit, mich selbst zu richten, damit meine Kinder am Leben bleiben können? Fragen, die sich wohl niemand in der Realität möchte stellen müssen.

Herrmanns Sprache ist schnörkellos und flüssig zu lesen. Der Handlungstrang verläuft geradlinig und ohne „Nebenschauplätze“, sodass Lesende dem Geschehen problemlos folgen können. Am Ende wird auch die Wahl des Thrillertitels ersichtlich, was mir auch sehr gut gefällt.

Das dunkle Cover mit den weißen Dornenzweigen spiegelt das Destruktive dieses Buches wider.

Insgesamt handelt es sich bei Jutta Maria Herrmanns „Wähle den Tod“ um einen spannenden Psychothriller, der diesen Namen wirklich verdient, da er ohne exzessive Gewaltdarstellungen auskommt und seine Spannung vor allem aus Psychologie und Geschichte(n) schöpft. Meiner Meinung nach ein wirklich empfehlenswertes Buch, das von der ersten Seite an fesselt.