Rezension

Fesselnder Psychokrimi auf wenigen Seiten

Die Unsterblichkeit der Signora Vero - Cornelia Becker

Die Unsterblichkeit der Signora Vero
von Cornelia Becker

Und auf einmal ist alles anders: Nachdem ihr schwer kranker Mann gestorben ist, blieb ein großes Loch im Leben von Cordula Pasini und ihrer Tochter. Doch der schmerzliche Verlust des geliebten Menschen ist nicht genug, denn auf einmal tauchen Geheimnisse auf, Schulden, die er hinterlassen hat und die die Familie in eine große Existenzkrise stürzen. Die Situation scheint ausweglos, bis Cordula auf eine Zeitungsannonce aufmerksam wird. Sie trifft sich mit der exzentrischen Beatrice Vero, die mit ihrem Leben abgeschlossen hat und einem Menschen sucht, der ihr in den Tod hilft. Dafür soll dieser ihr Alleinerbe werden. Cordula lehnt zunächst ab. Die Vero hat ihr unterdessen bei den gemeinsamen Treffen von ihrem früheren ruhmreichen und wilden Leben berichtet, das sicher eine interessante Biografie abgeben würde. So versucht es Cordula mit einem Kompromiss: Sie hilft der Vero und darf dafür ihre Memoiren sichten, ordnen und zu Papier bringen. Als Ghostwriterin natürlich. Nicht ahnend, dass sich mit dieser Einigung neue Konflikte entwickeln würden, versinkt Cordula mehr und mehr in der Arbeit und auch Signora Vero gerät mehr und mehr in den Bann ihres eigenes Lebens. Sogar ihre Lebensfreude kehrt zurück, doch zu welchem Preis…

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Cornelia Becker ist mit ihrem Roman Die Unsterblichkeit der SIgnora Vero ein ganz besonderes Werk gelungen. Auf nicht einmal 200 Seiten beschreibt sie die besondere Bekanntschaft zweier Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Einmal angefangen, kann man das Buch nicht mehr aus den Händen legen, so fesselt einen die Entwicklung der beiden Frauen. Einerseits ist da die Trauer um den verstorbenen Mann, die sich wie ein roter Faden durch den gesamten Roman zieht, obgleich in Cordula auch der Wille besteht, weiterleben zu wollen und wieder froh zu sein. Dazu kommt die Vero mit ihrem abstrusen Wunsch, in den Tod geholfen zu bekommen. Gerade von Cordula, die dabei ist, sich ins Leben zurückzukämpfen.

Mit ganz großem Stil beschreibt die Autorin die Treffen der beiden Frauen, die sich zu einer Art gefühltem Tanz entwickeln, den beide umeinander ausführen. Je mehr Cordula die Lebensgeschichte der Vero aufarbeitet, desto mehr kehrt das Leben in die alte Dame zurück. Währenddessen beginnt Cordulas Leben mehr und mehr aus den Fugen zu geraten und ihr zu entgleiten, wie beispielsweise ihre eigene Tochter, zu der sie bald gar keinen Draht mehr hat.

Große Worte und viel Bildgewalt, die das Buch im Kopf des Leser auslöst. Poetische Beschreibungen der italienischen Natur sowie des Lebens der Vero, einer früheren Grand Dame, machen das Lesen zu einem wahren Hochgenuss. Man sieht förmlich, wie beide Frauen umeinander herumschleichen, sich ineinander verwirren, quasi einen Rollentausch erleben, in dem die Vero neu zu erblühen scheint und Cordula mehr und mehr verblasst. Doch wird es der Vero letztendlich gelingen, ihrem Schicksal zu entrinnen? Das werde ich nicht verraten.

Es ist ein spannendes packendes Buch, das einen auf sehr subtile Art und Weise in einen Sog zieht, dem man sich kaum entziehen kann und auch nicht will. Man fiebert mit den Frauen, hofft, bangt, erschrickt und leidet mit ihnen und erlebt am Ende einen faszinierenden Showdown, der das Buch noch lange nachwirken lässt. In mir arbeitet es noch immer und es bleibt vieles vom Gelesenen, was man erst einmal verdauen muss. Ein wahnsinnig tolles, beeindruckendes Buch, das auf relativ wenigen Seite die absolute Essenz dessen vereint, was ein nachhaltiger Roman braucht. Für mich ein Lesehighlight des Jahres, das ich unbedingt jedem ans Herz legen möchte, der diese Art Roman mag! Mancher Krimi zeigt weniger Spannung als diese “Biografie” der Signora Vero.