Rezension

Finanzkrise und Familiengeschichte

Am Ufer - Rafael Chirbes

Am Ufer
von Rafael Chirbes

Bewertet mit 3 Sternen

Esteban, ein 70 Jahre alter Spanier, führte bis vor kurzem die Familienschreinerei, die von seinem Großvater gegründet wurde und die er von seinem Vater erbte und selbst in den finanziellen Ruin steuerte, weil er auch vom Bauboom profitieren wollte und Geld in eine Baufirma investierte, die pleite ging.

 

Der Roman ist über 400 Seiten lang und eng bedruckt. Die Lektüre habe ich als sehr beschwerlich empfunden. Zum einen wechselt nämlich die Erzählperspektive häufig und unvermutet. Zum anderen gibt es nur wenig Handlung. Im Wesentlichen sinniert und monologisiert Esteban über sein Leben und den traurigen Stand der Dinge in der kleinen spanischen Stadt Olba, in Spanien und der Welt. Das Ufer aus dem Buchtitel ist Symbol für die Lage in Spanien. Das Flussufer ist eine Müllhalde für alle Arten von Abfällen einschließlich chemischer Abfälle und Leichen von Tieren und Menschen. Esteban grübelt und spricht mit seinen Freunden in der Bar über Themen wie Globalisierung, Einwanderung, Korruption. Er sucht nach den Gründen für den Zusammenbruch, an dem er als Täter und Opfer beteiligt ist. Das Buch zeichnet ein sehr düsteres Bild des gegenwärtigen Spaniens. Zugleich erfahren wir die interessanten Lebensgeschichten von Esteban, von seinem Großvater, der am Ende des spanischen Bürgerkriegs mit einem Genickschuss getötet wurde, und von seinem Vater, einem überzeugten Sozialisten, der sich nach dem Bürgerkrieg den Francisten stellte und dann eine Haftstrafe absaß. Das ist eine gute Einführung in die uns Deutschen ja doch eher unbekannte spanische Geschichte des 20. Jahrhunderts.

 

Wer sich an einen anspruchsvollen Stoff heranwagt, ist mit dem Buch gut bedient.