Rezension

Fortsetzung, die einige Schwächen ihres Vorgängers behebt, insgesamt aber weniger spaßig ist.

Der Riss im Raum - Madeleine L'Engle

Der Riss im Raum
von Madeleine L'Engle

Vor einigen Tagen beendete ich den ersten Band einer weltbekannten Kinderbuchreihe der US-amerikanischen Autorin Madeleine L'Engle und stellte trotz des sprudelnden Ideenreichtums eine handwerklich eher schwache Umsetzung fest. Dennoch war mein Interesse gegenüber dem Szenario aufgrund seiner Kurzweiligkeit noch nicht vollständig erloschen. Dem zweiten Teil mit dem Titel "Der Riss im Raum" gab ich also mit geringer Erwartungshaltung eine Chance. Konnte er insgesamt mehr überzeugen als sein Vorgänger?

 

Direkt zu Beginn kann ich erleichtert feststellen, dass viele im ersten Band begangenen Fehler in der vorliegenden Lektüre ausgebügelt und behoben wurden. Die bisher schwach charakterisierten, blassen Figuren erhalten ein deutlich griffigeres Profil. Ich konnte mich besser in sie hineinversetzen, obgleich noch immer Großteile ihrer inneren Handlung ausgespart werden. Ausnahme von dieser progressiven Entwicklung stellen die Zwillinge Sandy und Dennys dar, denen nicht nur geringere Intelligenz, sondern auch eine niedere Position innerhalb der Familie zugeschrieben ist.

 

Der Konflikt, dem die Protagonisten ausgesetzt sind, wird klarer dargestellt und ein offenkundiger, ausgeglichener Spannungsbogen entfaltet. Innerhalb des Szenarios fehlten mir jedoch einige Elemente, die für das vollständige Verständnis für und Versinken in die Handlung notwendig gewesen wären. Die Konsequenzen, die bei einem möglichen Scheitern zu befürchten sind, erschlossen sich mir bis zum Schluss nicht; die Herkunft und der Auftritt der elementaren Figur Blajeny blieben ebenfalls ungeklärt.

 

So wie die erste Hälfte des Buchs unterhaltsame Unterhaltung (mit einer eigenen telepathischen Kommunikationsart: dem Kythen) bietet, so verstrickt sich die Autorin schlussendlich in gequält langen philosophischen Ansätzen, die für die Zielgruppe durchweg unangemessen ist. Sie hinterfragt die Welt und das Sein, nimmt sich dabei selbst viel zu ernst und die kindliche Freude an dem gegebenen Abenteuer bleibt auf der Strecke. Die angebrachten Gedankengänge kratzen jederzeit bloß an der Oberfläche und gewinnen keine hinterfragenden Tiefen.

 

Die Erzählung nimmt zunehmend abstrakte Formen und Proportionen an und gerät dabei repititiv. Die Autorin beweist Kreativität in der Ausgestaltung einer Welt mit eigenen Begriffen und Regeln, etabliert sie jedoch unzureichend: Als Leser fühlte ich mich teils erschlagen von den verwendeten, noch nie zuvor gehörten Fachwörtern – und daher langfristig nicht in das Szenario aufgenommen. Die eindeutig sehr junge Zielgruppe dürfte mit der Schnelligkeit der Einführung neuer Elemente überfordert sein.

 

Durch Proginoskes, einem sogenannten Cherubim, gewinnt "Der Riss im Raum" an wichtigen, eindeutig christlich geprägten Botschaften und die Notwendigkeit einer gewissen Solidarität untereinander in der Menschheit wird deutlich. Die vorliegende Lektüre kann weitestgehend ohne Wissen zum Vorgänger genossen werden. Trotz deutlicher Verbesserungen gegenüber "Das Zeiträtsel" wird hier der Spaß und die jugendliche Entdeckungsfreude vernachlässigt, die für mich einer der zentralen positiven Aspekte war. Ich spreche daher eine Empfehlung für diejenigen aus, die sich mit dem ersten Band anfreunden konnten und Lust auf mehr Lesestoff rund um Meg, Calvin und Charles Wallace haben – allen anderen wird das Buch wahrscheinlich weniger gefallen.

"Der Riss im Raum" ist eine Fortsetzung, die einige Schwächen ihres Vorgängers behebt, insgesamt aber weniger spaßig ist.