Rezension

Fragwürdiges Heldentum

Unter blutrotem Himmel - Mark Sullivan

Sullivan, M: Unter blutrotem Himmel
von Mark Sullivan

Bewertet mit 3 Sternen

Pino Lella ist siebzehn Jahre alt, als die Alliierten im Juni 1943 über Mailand die ersten Bomben abwerfen. Um ihren Sohn vor der Gefahr zu schützen, schicken die Eltern Pino in ein Dorf in den Alpen, wo sie ihn im Casa Alpina bei Pater Re in Sicherheit vermuten. Aber Pater Re hat andere Pläne mit Pino. Er braucht ihn als Bergführer, um Juden zu ihrer gefahrvollen Flucht über die Grenze in die Schweiz zu verhelfen. Unter der drückenden Last der Verantwortung für die Flüchtlinge und oftmals dem Tod sehr nahe wird der Junge viel zu rasch zum Mann. Zurück in Mailand wird der nun 18-Jährige von seinen Eltern gezwungen, der deutschen Organisation Todt beizutreten. So kann verhindert werden, dass er von der italienischen Armee an die Ostfront geschickt wird. Nun wird Pino Fahrer für Generalmajor Leyers und erhält Einblick in geheime Tätigkeiten der Deutschen. Das trifft sich gut, denn Onkel Albert ist in der Resistenza, dem italienischen Widerstand, und spioniert für die Alliierten …

Der Autor Mark Sullivan ist Journalist und wurde bisher durch seine Thriller, für die er einige namhafte Preise erhielt, bekannt. Durch einen glücklichen Zufall, wie er selbst im Vorwort des Buches bemerkt, erfuhr er von Pinos Geschichte. Sein Interesse war geweckt, er recherchierte, fuhr an die Orte des Geschehens und sprach persönlich mit dem zu diesem Zeitpunkt neunundsiebzig Jahre alten Pino Lella. Da kaum noch überlebende Zeitzeugen und Dokumente vorhanden waren die Pinos Geschichte untermauern konnten, entschloss sich der Autor daraus einen Roman zu machen. Heraus gekommen ist, wie im Vorwort des Buches zu lesen ist, „ein Roman aus biografischer und historischer Fiktion, der sich eng daran orientiert, was Pino Lella zwischen Juni 1943 und Mai 1945 widerfahren ist“.

Der Schreibstil ist flüssig und sehr lebendig. Landschaften, Ereignisse und zwischenmenschliche Beziehungen sind treffend erfasst und atmosphärisch und emotional passend wiedergegeben. Erzählt wird weitgehend chronologisch in der Wahrnehmung von Pino Lella, auf die Ich-Form wird jedoch verzichtet. Die Brutalität des Krieges jener Zeit, der den Norden Italiens besonders hart getroffen hat, wird angebracht vermittelt ohne auf bestialische Details ausführlich einzugehen. Eher zurückhaltend und sachlich schildert der Autor die Vorkommnisse, trotzdem kommen die Gefühle wie Wut und Hass, Angst und Verzweiflung, Trauer und Hoffnungslosigkeit, aber auch Liebe, Aufopferung und Zuversicht, recht gut zum Ausdruck.

Dennoch bleiben für mich einige Kritikpunkte: Die Kriegshandlungen werden, wohl weil der Autor Amerikaner ist, sehr einseitig verurteilt. Italien musste unter den Alliierten mindestens genau so leiden, wie unter der deutschen Besatzung, die Deutschen aber sind durchwegs schlecht und werden ständig als “Teufel“ bezeichnet. Die erwähnten Schwarzhemden und Faschisten waren Italiener, die ihre eigenen Landsleute bespitzelten, bekämpften und niedermetzelten. Ferner wird im Buch ständig von Held und Heldentum gesprochen. Ich kann nichts Heldenhaftes daran feststellen, wenn ein Priester einen 17jährigen Jungen als Fluchthelfer einsetzt oder ein Onkel seinen 18jährigen Neffen zur Spionage zwingt – doch darüber sollte sich jeder Leser seine eigenen Gedanken machen, ebenso wie über die vielen exzellenten Begabungen und Fähigkeiten des jungen Pino.  

Fazit: Ein unterhaltsames Buch über den 2. Weltkrieg in Italien, über dessen Wahrheitsgehalt wohl einige Zweifel aufkommen dürften.