Rezension

Frauen vor, noch ein Tor

Der Traum vom Tor -

Der Traum vom Tor
von Juliana Weinberg

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn sich in den Wochen vom 14. Juni 2024 bis 14. Juli 2024 das Leben (fast) ausschließlich um den Männerfußball dreht, darf nicht vergessen werden, dass es zahlreiche Frauen gibt, die den Männern in nichts nachstehen, wenn sie dem runden Leder nachjagen. Dass es heute Meisterschaften und Turniere für Fußballerinnen gibt, davon kann Luise, die Hauptperson in diesem historischen Roman, der im Nachkriegsdeutschland von 1954 spielt, nur träumen.

 

Luise wächst mit ihren drei sportbegeisterten Bruder ohne Vater auf in einfachen Verhältnissen auf. Georg, der älteste Bruder nimmt sich die Rolle des Familienoberhauptes selbstherrlich heraus und tyrannisiert nicht nur Luise sondern auch die Mutter, die nach wie vor mit der Trauer um den gefallenen Ehemann kämpft. Um den Lebensunterhalt zu bestreiten geht sie putzen und strickt auf der Strickmaschine Pullover und Westen. Auch Luise muss ihren Lohn, den sie im Schneideratelier verdient abgeben.

 

Nun freut sich die ganze Familie über den Weltmeistertitel der deutschen Nationalelf, zumal fünf der Spieler aus der Heimatstadt Kaiserslautern stammen.

 

Als in Kaiserslautern eine Frauenfußballmannschaft, der FC Petticoat“ unter dem engagierten Trainer Max entsteht, ist Luise mit Feuereifer beim Training dabei. Sie kann ihre Leidenschaft nur heimlich ausleben, denn es wird behauptet, dass Fußball die Weiblichkeit und die Fruchtbarkeit der Frauen beeinträchtigt. Frauen sind zum Kochen, Waschen, Putzen und zum Kinderkriegen da. Die Indoktrination der NS-Zeit ist nach wie vor in den Köpfen der Menschen vorhanden.

 

Als der Deutsche Fußballverband den Frauenfußball verbietet und für jene Vereine, die Frauen ein Training ermöglichen, Strafen verhängt, muss Max recht kreativ sein, um Trainingsmöglichkeiten zu suchen.

 

Meine Meinung:

 

Mir hat dieser historische Roman sehr gut gefallen, obwohl ich ob der Präpotenz von Georg mehrmals die Fäuste geballt und vor Wut tief Luft holen musste, um weiterlesen zu können.

 

Die Autorin zeichnet ein authentisches Bild der Nachkriegsjahre. Die Verdienste der Frauen in den Kriegsjahren sind schnell vergessen. Für die Söhne ist es selbstverständlich, in den Vordergrund zu drängen und die Schwester und Mütter hinter den Herd zu verbannen.

 

Mehrmals musste ich schmunzeln, wie Luise ihren Bruder austrickst, um ihrer Leidenschaft nachgehen zu können.

 

Jedem der 20 Kapitel Kapitel steht ein Zitat eines männlichen Fußballers voran, die bis in die 2010-er Jahre den Frauenfußball lächerlich machen oder ganz ablehnen. Selbst das Lob (?) von Lothar Matthäus von 2011 wird spätestens mit seinem letzten Satz abgewertet:

 

„Vor zwanzig Jahren sind die Frauen noch über den Ball gefallen und gestolpert. Das hatte mit Fußball wenig zu tun. Mittlerweile spielen die Spielerinnen einen technisch und taktisch sauberen Fußball. Einige finde ich auch sehr hübsch.“

 

Da gefällt mir das Statement von Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache 2006 anlässlich der anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft der Männer vor dem Epilog gleich viel besser:

 

„Die Frauenfußball-Nationalmannschaft ist schon ja schon Fußballweltmeister, und ich sehe keinen Grund, warum Männer nicht das Gleiche leisten können wie Frauen.“

 

Man muss den Satz allerdings laut vorlesen, um die feine Ironie herauszuhören. Apropos, Weltmeister 2006 wurde Italien. Ob es der deutschen Männer-Elf 2024 gelingen, den Titel zu erringen?

 

Fazit:

 

Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der uns in die Anfänge des Frauenfußballes entführt, 5 Sterne.