Rezension

Frauenmörder? Mörderfrau?

Blaubart - Amélie Nothomb

Blaubart
von Amélie Nothomb

Bewertet mit 4 Sternen

Das Märchen vom Frauenmörder Blaubart, neu interpretiert: Die junge Saturnine bezieht ein Zimmer im Pariser Stadtpalais des Adeligen Don Elemirio. Wird sie seinem Charme ebenso erliegen wie ihre acht Vorgängerinnen, die allesamt spurlos verschwunden sind? Was wird siegen: Gefühl oder Verstand? (Diogenes-Verlagsseite)

Die Geschichte von Blaubart, von Charles Perrault in seinen „Histoires ou contes du temps passé“ erstmals veröffentlicht, hat Literaten, Filmemacher und Musiker inspiriert. Sie wurde in Märchensammlungen übernommen (Grimm, Bechstein); es wurden einzelne Motive adaptiert (Ernst Lubisch – Filmkomödie, Jacques Offenbach – Operette, Tanztheater von Pina Bausch); bis in die Gegenwart inspirierte das Märchen namhafte Autoren wie Max Frisch, Georg Trakl, Margaret Atwood oder Peter Rühmkorf hauptsächlich zu Erzählungen.

In modernen Fassungen sollte es natürlich zeitgerechter zugehen, die Frau also nicht mehr das ungehorsame Geschöpf sein, das zu seiner Rettung nach älteren Brüdern oder Rittern ruft, sondern eine dem Blaubart ebenbürtige Partnerin, die versucht, den Spieß umzudrehen. Also eine Frau, wie Nothomb sie mit Saturnine entwirft.

Saturnine arbeitet als Aushilfslehrerin, verfügt nicht über Reichtümer und ist überrascht, dass sie im Haus des reichen Don Elemirio, eines spanischen Adligen, ein elegantes Zimmer mit Bad für 500 € mieten kann, inclusive Dienerschaft. Umgehend zieht sie ein und erfährt, dass sie allabendlich mit dem Grande speisen darf. Menüs, die dieser extra für sie kocht.

Von dem verschlossenen Zimmer weiß sie und auch von acht verschwundenen Vormieterinnen, aber sie ist entschlossen, ihm zu widerstehen.

95% des Textes sind Dialog, fast alle Szenen spielen sich in der Küche des Hauses ab. Wenn sich dem Leser der Eindruck aufdrängt, er habe ein Theaterstück vor sich, so ist dies sicher von der Autorin gewollt. Dem ein oder anderen schiebt sich vielleicht ein Schauspieler vor das innere Auge; ich sah Jeremy Irons in der Rolle des Don Elemirio ganz deutlich.

Dem Buch wird nur der gerecht, der es nicht ernst nimmt. Hier sind wirklich zwei Schauspieler mit gestelzten, oft pseudo-philosophischen Dialogen am Werk. Manchmal reden sie einfach dummes Zeug, manchmal fällt ein bemerkenswerter Satz über Liebe, Vertrauen oder Religion ab.

Die beiden sind keine Menschen, keine Personen, sondern Figuren in einem Stück, übertrieben, aber dennoch konsequent gezeichnet. Der Grande in seiner spanischen Überheblichkeit und Grandezza und seiner tiefen, irrigen Religiosität, der sich Bibel, Glauben und Dogmen so hinbiegt, wie er sie für sich braucht. Daneben Saturnine, in ihrer Art auch überheblich, unverschämt und unehrlich. Die Autorin versteht es, ihre beiden Kunstfiguren einander umgarnen, manipulieren und ins Unheil laufen zu lassen. Beide sind grausam, und keiner der beiden schenkt dem anderen etwas. Außer Don Elemirio Saturnine seine Liebe. Sagt er.

- Ob die Namen Zufall sind? Nach dem griechischen Mythos fraß der Gott Saturn seine Kinder. Und „Elemirio“ assoziiert „eliminieren“ (im französischen das gleiche Wort). -

Dieses Buch verlangt einen lächelnden, keinen ernsten Leser. Nothomb hat sicher nichts dagegen, wenn aus dem Lächeln gelegentlich ein boshaftes Grinsen wird.