Rezension

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Für Fans des viktorianischen England

Die Forsyte Saga -

Die Forsyte Saga
von John Galsworthy

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Trilogie, die in der Begründung für die Verleihung des Literatur Nobelpreises an Galsworthy stand, wurde neu verlegt. Reclam hat die drei Bände hübsch gestaltet und liefert sie in einem passenden Schuber aus. Ergänzt wird das durch einen Stammbaum, der helfen soll, einen Überblick über die Familie Forsyte zu erlangen und während der Lektüre zu behalten.
Die Bände haben jeweils ein Inhaltsverzeichnis. Die Seiten sind eher klein bedruckt. Gelegentlich finden sich kleine Zeichnungen der Immobilien der Familienmitglieder. Moosgrün ist die Hauptfarbe und die Bücher haben Lesebändchen.
In Band 1 bekommen wir viele der Forsyte vorgestellt, so dass man versucht ist, weitere Notizen zum Stammbaum zu machen. Tatsächlich werden für den ersten Teil der Geschichte 5 Personen von Bedeutung sein. June, die Tochter von Jolyon dem Jüngeren, verlobt sich mit Bosinney. Dieser wird Architekt von Soames für dessen Hausbau außerhalb der Stadt. Deshalb trifft er auf dessen Frau Irene, in welche er sich unsterblich verliebt.
Die Beschreibung der Personen beschäftigt sich gerade Anfangs mit Äußerlichkeiten. Das ist besonders bei den Frauen auffällig aus der Zeit gefallen, da diese gerne mit dem Attribut klein beschrieben werden, selbst wenn sie körperlich sogar groß gewachsen sind. Ich kenne Galsworthy als Autor sonst nicht und kann nicht beurteilen, ob er so dachte oder es den Forsyte mit Absicht 'in den Mund legen ' wollte. Im Verlauf der Geschichte gewinnen die Hauptpersonen am Kontur. Zum Teil durch die Beschreibung ihrer Taten, zum anderen durch die Beschreibung ihrer äußeren Veränderung. Der Tod der Familienältesten Ann markiert wohl den Höhepunkt der Bedeutung der Forsyte; ein weiterer Tod wird 'die Auflösung der Familie Forsyte zur Folge haben'. Die Bindung der Familie wirkt äußerlich eng ( es gibt ritualisierte Treffen); emotional gibt es nur einzelne Familienmitglieder, die an einander hängen. Ein Bindeglied ist das Vermögen und die Frage, ob man selbst oder ein anderer reicher sei. Das Buch könnte statt der reiche Mann auch die gefährliche Frau heißen, da Irene mit ihrer Schönheit und Ausstrahlung alle Männer berührt.
Der zweite Band startet mit einem Einschub, Nachsommer, in welchem Jolyon der Ältere und Irene aufeinander treffen. Zunächst sieht er sie in der Oper, dann findet er sie auf einem Baum sitzend in seinem Park. Er verliebt sich Hals über Kopf und kann es sich nicht eingestehen. Die Schönheit Irenes lässt er sich gegenüber als Grund gelten. Er vermacht ihr eine Leibrente und verstirbt an der Aufregung seiner Gefühle.
Das zweite Buch, in Fesseln, rankt sich im wesentlichen wieder um Irene. Nach Jahren der Trennung will Soames einen Stammhalter. Eigentlich will er die Scheidung, um Annette, eine sehr junge Französin zu heiraten.
Als er wieder auf Irene trifft, entflammt er erneut in einer Mischung aus Liebe und Besitzdenken. Jolyon d.J. verwaltet seit Jahren das Geld für Irene und will ihr während der Scheidung von Soames beistehen. Er verliebt sich in Irene und erliegt ihrer Schönheit (am Ende wie sein Vater). Soames spioniert Irene aus und erfährt von der Nähe zwischen Jolyon und ihr. Im Schreiben seines Anwalts zur Scheidung wird das (bis dahin nicht vorhandene) Verhältnis als Grund genannt. Die beiden entscheiden sich für einander und werden Eltern eines Sohnes. Soames heiratet Annette. Als er sich am Kindbett für Kind oder Frau entscheiden muss, wählt er das Kind. Annette überlebt und Soames wird Vater einer Tochter. Tagelang drückt er sich vor der Begegnung mit Frau und Kind. Seinem Vater hat er am Sterbebett vorgelogen, er hätte einen Sohn. Als er das Kind dann sieht, spürt er überrascht Triumph. Er denkt: 'Dies Wesen ist meins'.
In einer Nebenhandlung heiratet Val, der Enkel von James, Holly, die Enkelin von Jolyon, d.Ä. und die beiden verbinden damit die verfeindeten Familienzweige.
Anders als im ersten Teil vermag das zweite Buch, mich immer mal zu fesseln. Ich möchte wissen, wie die Geschichte weitergeht.
Der dritte Band handelt von Jon und Fleur.
Das sind die Kinder von Jolyon d.J. und Irene bzw. Soames und Annette.
Wie das Schicksal es so will begegnen sich die beiden und verlieben sich ineinander. Beide Elternteile sind gegen die Verbindung. Lange versuchen sie, die Gründe vor den Kindern geheim zu halten. Das glückt nicht. Jolyon verstirbt über der Offenlegung der Wahrheit an seinem kranken Herzen.
Jon verzichtet im Andenken an seinen Vater auf die Beziehung und wandert aus. Fleur heiratet schnell in den englischen Adel ein.
Soames realisiert, dass er wahre Liebe nie kennenlernen wird.
Galsworthy bemerkt zur Saga, dass diese versinnbildlichen soll, was Schönheit im Leben der Menschen anrichtet.
Ich finde eher, dass es ein Buch darüber ist, dass Vermögen alleine nicht glücklich macht und das das Aussehen einer Frau nicht der wichtigste Grund für eine Eheschließung sein sollte; nicht mal im viktorianischen Zeitalter.
Soames als eine der tragenden Säulen der Geschichte kritisiert den Verfall der Sitten. Er wünscht sich eine Zeit zurück, in der Frauen keine Rechte haben und Männer ihre Geschicke bestimmen. Insofern ist es auch eine Geschichte über die Befreiung der Frauen aus der Unterdrückung. Zu damaliger Zeit war der Preis für die Frauen allerdings hoch.
Ich finde diese Geschichte einer englischen Familie interessant, habe mich aber mit der langatmigen Erzählweise schwer getan. Die Figuren lassen selten in ihr Innerstes schauen und so kam ich ihnen nicht nah. Soames macht leider keine Entwicklung durch, so dass ich ihn am Ende genauso unsympathisch fand, wie am Anfang. Richtig ans Herz gewachsen ist mir niemand. Die 'Ausflüge' in der Erzählung zu den anderen Familienmitgliedern haben für mich den Fluss der Geschichte gestört und kaum etwas zur Spannung beigetragen. Ich denke, dass die Reihe am ehesten etwas für LeserInnen ist, die sich für das England dieser Epoche interessieren.
Alles in allem sind es für mich drei Sterne.